Lotte Thiel, Dr. iur. Thomas Eder
Rz. 101
Die Rechtsprechung zur Höhe der angemessenen BGB-Vergütung ist – wie nicht anders zu erwarten – unterschiedlich. Eine klare Linie ist in der Rechtsprechung nicht zu erkennen. Jeder Amtsrichter hat hier seine eigenen Vorstellungen, was unbedingt für den Abschluss einer Vereinbarung spricht.
Rz. 102
So geht das AG Emmerich davon aus, dass eine 0,75-Gebühr nach dem Gegenstandswert angemessen sei. Zur Entschuldigung des AG Emmerich ist auszuführen, dass diese Entscheidung unmittelbar nach Inkrafttreten der derzeitigen Fassung des § 34 getroffen worden ist und das AG offenbar noch auf die frühere Rechtslage (Mittelgebühr 0,55-Gebühr) abgestellt hat. Im Übrigen ist die Entscheidung unzutreffend. Die Beratungsgebühr richtet sich nicht nach dem Wert. Gerade dies hat der Gesetzgeber abschaffen wollen. Maßgebend sind die Kriterien des § 14 Abs. 1. Dort ist vom Gegenstandswert nicht die Rede. Abgesehen davon würde diese Gebühr auch nur in Angelegenheiten greifen, in denen nach dem Wert abgerechnet werden kann, nicht aber in Angelegenheiten, die nach Betragsrahmengebühren abgerechnet werden (also in Straf- und Bußgeldsachen, Verfahren nach Teil 6 oder in sozialrechtlichen Angelegenheiten nach § 3 Abs. 2, Abs. 1 S. 1).
Rz. 103
Das AG Bielefeld ist im Jahr 2010 von einer ortsüblichen Vergütung in Höhe eines Stundensatzes von 190 EUR bei Beratungstätigkeiten ausgegangen. Das AG Fulda hat im Jahr 2011 lediglich einen üblichen Stundensatz in Höhe von 150 EUR zugesprochen. Das AG Siegburg wiederum hat im Jahr 2015 nach Einholung eines Kammergutachtens einen üblichen Stundensatz von 190 EUR zugrunde gelegt. Im Fall des AG Siegburg hatte der verklagte Rechtsschutzversicherer die Auffassung vertreten, es sei eine 0,65-Gebühr angemessen. Dem hat das Gericht eine Absage erteilt.
Rz. 104
Das AG Stuttgart demgegenüber ist der Auffassung, dass eine Abrechnung nach Stundensatz nicht ohne Weiteres zulässig sei. Es sei vielmehr unbillig, wenn ein rein zeitabhängiges Honorar ohne Berücksichtigung des Gegenstandswerts erfolge. Auch das AG Stuttgart verkennt, dass der Gegenstandswert bei der Beratung keine Rolle spielt.
Rz. 105
Häufig wird eingewandt, eine Beratungsgebühr dürfe nicht den Betrag einer 1,3-Geschäftsgebühr nach dem zugrunde liegenden Gegenstandswert übersteigen (so im Ansatz auch AG Stuttgart). Argumentiert wird, dass der Anwalt im Falle des Auftrags zur außergerichtlichen Vertretung ja auch keine höhere Vergütung erhalten hätte. Das AG Siegburg hat diesem Einwand eine deutliche Absage erteilt: Eine Beratungsgebühr muss nicht zwingend günstiger sein als die Führung eines Geschäfts, da es sich gerade nicht um ein Weniger handelt. Dem gibt es an sich nichts hinzuzufügen. Die Beratung kann umfangreicher sein als eine spätere Vertretung, zumal im Rahmen der Beratung die verschiedensten Vertretungsmöglichkeiten erwogen und ausgelotet werden müssen, während bei der Vertretung ein konkreter Auftrag besteht. Beratung und Geschäftstätigkeit sind nun einmal verschiedene Angelegenheiten. Hätte der Gesetzgeber eine Begrenzung gewollt, dann hätte er sie eingeführt. Mit dem gleichen Argument kann man ja auch nicht sagen, dass ein Anwalt niemals mehr als eine 1,3-Geschäftsgebühr abrechnen dürfe, da er im Falle eines Prozessauftrags ja auch keine höhere Gebühr erhalten würde (VV 3100).