1. Allgemeine Auslegungsgrundsätze
Rz. 76
Häufig werden Vergütungsvereinbarungen nicht eindeutig und zweifelsfrei formuliert, weshalb sie der Auslegung bedürfen. Dies gilt insbesondere, wenn das Verfahren einen unvorhergesehenen Gang nimmt, etwa wenn es zu Verweisungen, Rückverweisungen, Verfahrensverbindungen, Verfahrenstrennungen oder anderen Abweichungen vom üblichen Verfahrensablauf kommt. Solche Auslegungsfragen sind zunächst nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) zu klären. Ist eine Auslegung der Vergütungsvereinbarung nicht möglich, so geht dies zu Lasten des Anwalts. Im Zweifel gilt dann lediglich die gesetzliche Vergütung.
Rz. 77
So kann aus einer Vergütungsvereinbarung, die nur eine Regelung für die Verteidigung in der Hauptverhandlung enthält, kein Anspruch für das Verfahren außerhalb der Hauptverhandlung hergeleitet werden. Insoweit bedarf es vielmehr einer ausdrücklichen Regelung.
2. Einschaltung von Hilfspersonen
Rz. 78
Eine häufige Streitfrage ist die, ob die vereinbarte Vergütung nur dann gilt, wenn der Anwalt selbst tätig geworden ist, oder auch dann, wenn er Hilfspersonen eingeschaltet hat. Die Vorschrift des § 5 greift grundsätzlich nur für die gesetzlichen Gebühren, nicht auch für ein vereinbartes Honorar. Die Interessenlage ist nicht vergleichbar. Ein vereinbartes Honorar wird in der Regel dem Anwalt in personam versprochen, weil der Auftraggeber sich gerade seiner höchstpersönlichen Dienste aufgrund seiner besonderen Fähigkeiten, Kenntnisse oder seiner Persönlichkeit versichern will. Der Auftraggeber knüpft in der Regel an die Tätigkeit des Anwalts besondere Erwartungen. Daher ist eine Vergütungsvereinbarung grundsätzlich dahin gehend auszulegen, dass der Anwalt, mit dem die Vergütungsvereinbarung geschlossen worden ist, die Dienste persönlich zu erbringen hat. Soweit der Anwalt nicht persönlich tätig wird, hat er nur Anspruch auf die gesetzlichen Gebühren.
Beispiel: Der Anwalt vereinbart mit dem Auftraggeber, dass ihm für das gerichtliche Verfahren und für jeden Hauptverhandlungstermin eine Vergütung in Höhe von 2.000 EUR zustehe. Der Anwalt wird daraufhin an den ersten drei Verhandlungstagen tätig. Am vierten und fünften Verhandlungstag lässt er sich durch einen anderen Anwalt seiner Kanzlei vertreten.
Dem Anwalt steht die vereinbarte Vergütung nur für das Verfahren und die ersten drei Hauptverhandlungstermine zu. Für die beiden weiteren Termine kann er lediglich die gesetzliche Gebühr nach VV 4107, 4114, 4120 verlangen. Darüber hinaus kann sich unter Umständen die Frage stellen, ob sich der Anwalt nicht schadensersatzpflichtig gemacht hat, weil er die versprochene Leistung nicht vollständig erbracht hat.
Rz. 79
Etwas anderes gilt, wenn die Vergütungsvereinbarung mit mehreren Anwälten geschlossen wurde, insbesondere mit einer Sozietät. Dies ist unschädlich, soweit ein Anwalt tätig wird, gegenüber dem das Honorarversprechen ebenfalls abgegeben worden ist. In Strafsachen ist allerdings zu beachten, dass die Vereinbarung nicht mit mehr als drei Verteidigern geschlossen werden darf (§ 137 Abs. 1 S. 2 StPO).
3. Vorzeitige Mandatsbeendigung
Rz. 80
Auslegungsprobleme ergeben sich auch bei vorzeitiger Erledigung der Angelegenheit, wenn in der Vereinbarung nicht geregelt ist, welche Vergütung oder Teilvergütung dem Anwalt für diesen Fall zustehen soll. Ursache für eine vorzeitige Beendigung des Auftrags wird zumeist die Niederlegung des Mandats durch den Anwalt oder die Entziehung des Mandats durch den Mandanten sein. In Einzelfällen kann jedoch auch eine vorzeitige Beendigung aus berufsrechtlichen (z.B. Verlust der Zulassung, Tätigkeitsverbot nach § 43a Abs. 4 BRAO) oder persönlichen Gründen (schwere Erkrankung oder Tod des Einzelanwalts) in Betracht kommen.
Rz. 81
Unproblematisch ist die Berechnung, wenn sich die vereinbarte Vergütung am Leitbild des RVG orientiert, wenn also lediglich höhere Gebührenbeträge oder höhere Gegenstandswerte vereinbart worden sind, sich an den Gebührentatbeständen jedoch strukturell nichts ändert. In diesem Fall kann nach der vergütungsrechtlichen Sonderregelung des § 15 Abs. 4 verfahren werden.
Beispiel: In einem Verfahren auf Zugewinnausgleich vereinbaren die Parteien, nach einem Streitwert von 200.000 EUR abzurechnen. Vor der mündlichen Verhandlung kündigt der Auftraggeber das Mandat; eine Terminsgebühr ist auch nicht schon anderweitig ausgelöst worden.
Der Anwalt kann hier die Verfahrensgebühr (VV 3100) aus dem Wert von 200.000 EUR verlangen. § 15 Abs. 4 ist hier entsprechend anwendbar. Die Terminsgebühr (VV 3104) erhält er dagegen nicht mehr.
Rz. 82
Die Vorschrift des § 15 Abs. 4 ist dagegen nicht anwendbar, wenn sich die Vereinbarung wesentlich vom gesetzlichen Gebührentatbestand unterscheidet, also insbesondere bei Zeit- oder Pauschalhonoraren. Bei diesen Vergütungsmodellen ist die vereinbarte Verg...