1. Verfahren
Rz. 93
Nach Abs. 2 S. 1 kann eine nach Abs. 1 S. 1 vereinbarte, eine nach § 4 Abs. 3 S. 1 vom Vorstand der Rechtsanwaltskammer festgesetzte oder eine nach § 4a für den Erfolgsfall vereinbarte Vergütung, die unter Berücksichtigung aller Umstände unangemessen hoch ist, im Vergütungsrechtsstreit auf den angemessenen Betrag bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren herabgesetzt werden. Dieses richterliche Moderationsrecht, das in die Vertragsbeziehung zwischen Anwalt und Mandant eingreift, kann in einer Vergütungsvereinbarung weder durch entsprechende AGB, noch individualvertraglich abbedungen werden. Im Verfahren nach Abs. 2 S. 1 hat das Gericht unter Berücksichtigung aller Umstände objektiv festzustellen, ob die vereinbarte Vergütung für die konkret geleistete Tätigkeit unangemessen hoch ist. Erweist sich die vereinbarte Vergütung im Zuge dieser Prüfung als unangemessen niedrig, vermag sie der Richter dennoch nicht heraufzusetzen.
Rz. 94
Abs. 2 S. 1 ist auch anzuwenden, wenn der Anwalt unmittelbar mit dem ersatzpflichtigen Gegner eine höhere als die gesetzliche Vergütung vereinbart hat, die dieser zu ersetzen habe.
Rz. 95
Zuständig für die Herabsetzung der Vergütung ist das Gericht. Es gelten hier die allgemeinen Regeln (zum Gerichtsstand einer Vergütungsklage siehe § 1 Rdn 91).
Rz. 96
Verfahrensrechtlich sind verschiedene Konstellationen möglich:
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Klagt der Anwalt auf Zahlung seiner Vergütung, so kann die Herabsetzung auf die Einwendung des Auftraggebers erfolgen, die vereinbarte oder festgesetzte Vergütung sei zu hoch. |
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Die Herabsetzung des Honorars kann aber auch im Wege der Gestaltungsklage vom Auftraggeber isoliert durchgesetzt werden. Er kann also das Gericht anrufen und beantragen, dass die nach seiner Auffassung überhöhte Vergütung auf das angemessene Maß herabgesetzt werde. Eines bezifferten Antrags bedarf es insoweit nicht. |
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Hat der Auftraggeber bereits gezahlt, kann er auf Rückzahlung klagen und inzidenter die Herabsetzung der Vergütung verlangen. |
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Entsprechend § 254 ZPO kann der Auftraggeber auch im Wege der Stufenklage vorgehen und zunächst auf der ersten Stufe die Herabsetzung verlangen und auf der zweiten die Rückzahlung des danach zu viel gezahlten Betrages. |
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Möglich ist auch eine Feststellungsklage mit dem Antrag, dass ein bestimmtes Honorar angemessen und die über einen bestimmten Betrag hinausgehende vereinbarte Vergütung unangemessen hoch sei. |
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Auch Hilfsanträge sind möglich, etwa die Klage auf Rückzahlung des gesamten Honorars wegen Unwirksamkeit der Vereinbarung und hilfsweise die Klage auf Herabsetzung der Vergütung auf den angemessenen Betrag. |
2. Gutachten der Rechtsanwaltskammer (Abs. 2 S. 2)
Rz. 97
Nach Abs. 2 S. 2 hat das Gericht im Vergütungsrechtsstreit von Amts wegen ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen. Diese Verpflichtung besteht nur dann, wenn der Richter eine Herabsetzung beabsichtigt. Sie besteht also nicht in der umfassenden Weise wie bei § 14 Abs. 3 (Abs. 2 a.F.), wonach das Gutachten bei einem Streit über die Gebührenhöhe immer einzuholen ist. Will das Gericht die Klage des Anwalts bereits aus anderen Gründen abweisen, etwa weil das Gericht nach § 4b von einer formwidrigen und daher nichtigen Vereinbarung ausgeht oder weil der Vergütungsanspruch bereits verjährt ist, bedarf es keines Gutachtens. Es ist auch entbehrlich, wenn das Gericht die vereinbarte Vergütung bestätigen will. Erst recht bedarf es nicht der Einholung eines Gutachtens, wenn sich die Parteien vergleichen oder der Anwalt die Herabsetzung anerkennt. Dagegen muss auch vor Erlass eines herabsetzenden Versäumnisurteils ein Gutachten eingeholt werden.
Rz. 98
Zuständig für die Erstellung des Gutachtens ist kammerintern nicht notwendig der Gesamtvorstand; es kann auch durch die Gebührenabteilung einer Rechtsanwaltskammer erstattet werden. Sie besitzt insofern die Kompetenzen des Gesamtvorstandes (§ 77 Abs. 5 BRAO).
Rz. 99
Hat der Kammervorstand nach § 4 Abs. 3 S. 1 die Vergütung festgesetzt, ist die Einholung eines Gutachtens nicht vorgeschrieben (Abs. 2 S. 2, 2. Hs.). Anderenfalls müsste der Vorstand seine eigene Festsetzung begutachten. In anderen Fällen ist das Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer zwingend einzuholen. Zur Frage, ob die Nichteinholung einen Verfahrensmangel darstellt, der zur Zurückverweisung nach § 539 ZPO führt, siehe § 14 Rdn 122.
Rz. 100
Wegen der Einzelheiten des Verfahrens auf Einholung und Erstattung des Gutachtens wird Bezug genommen auf die Kommentierung zu § 14 (siehe § 14 Rdn 127 ff.). Die dortigen Ausführungen gelten entsprechend. Das Gutachten ist auch hier kostenlos zu erstatten (Abs. 2 S. 3). Es stellt i...