a) Gesetzliche Regelung
Rz. 28
Nach der jetzigen Regelung ist die Aufrechnung nur noch dann unwirksam, wenn zum Zeitpunkt der Aufrechnung eine Urkunde über die Abtretung oder eine Anzeige des Beschuldigten oder Betroffenen über die Abtretung in den Akten vorliegt. Mit diesem S. 2 ist die vorstehend (siehe Rdn 27 ff.) dargestellte bisherige Streitfrage geklärt werden. Mit der neuen Regelung soll es bei der Systematik des BGB verbleiben, dass eine Forderung zum Zeitpunkt der Abtretung noch bestehen muss. Eine Aufrechnung der Staatskasse kann daher nach S. 2 nur noch unwirksam sein, wenn die Abtretung der Kostenerstattungsansprüche vor Abgabe der Aufrechnungserklärung vereinbart worden war.
Rz. 29
Die neue Regelung geht allerdings über die Klärung der früheren Streitfragen hinaus, indem sie anordnet, dass die Unwirksamkeit nicht nur voraussetzt, dass die Abtretung vor Abgabe der Aufrechnungserklärung vereinbart worden ist; die Vorschrift ordnet vielmehr auch an, dass die Aufrechnung nur dann unwirksam ist, wenn eine Urkunde über die Abtretung oder eine Anzeige des Beschuldigten oder Betroffenen über die Abtretung zum Zeitpunkt der Aufrechnung in den Akten vorliegt. Diese Formulierung ist allerdings in mehrfacher Hinsicht unklar.
b) Aufrechnung
Rz. 30
Zum einen ist unklar, was mit dem "Zeitpunkt der Aufrechnung" gemeint ist. Diese Formulierung kann durchaus so verstanden werden, dass damit der Zeitpunkt des § 389 BGB gemeint ist, nämlich der, in dem sich die Forderungen erstmals aufrechenbar gegenüberstanden und zu dem die Aufrechnung gemäß § 389 BGB wirkt. Aus der Begründung ergibt sich jedoch, dass dies nicht gemeint ist. Der Anwalt soll weiterhin geschützt bleiben, wenn die Abtretung erst nach Eintritt der Aufrechnungslage vereinbart wird. Die Möglichkeit, auch dann gemäß § 406 BGB gegenüber dem neuen Gläubiger aufzurechnen, soll für die Staatskasse ausgeschlossen bleiben.
Beispiel: Der Beschuldigte war erstinstanzlich zur Zahlung einer Geldstrafe von 5.000 EUR verurteilt worden. Auf seine auf das Strafmaß beschränkte Berufung wird die Geldbuße auf 2.500 EUR reduziert. Die notwendigen Auslagen des Beschuldigten im Berufungsverfahren werden der Staatskasse auferlegt. Nach Rechtskraft des Berufungsurteils lässt sich der Verteidiger die Kostenerstattungsansprüche des Beschuldigten abtreten.
Da zum Zeitpunkt der Rechtskraft bereits die Aufrechnungslage bestand, könnte die Staatskasse gemäß § 406 BGB auch gegenüber dem Anwalt als neuen Gläubiger aufrechnen. Diese Möglichkeit wird nun durch § 43 ausgeschlossen, soweit dadurch der Vergütungsanspruch des Anwalts beeinträchtigt oder vereitelt würde.
c) Nachweis der Abtretung
Rz. 31
Weitere Voraussetzung nach S. 2 ist, dass zum Zeitpunkt der Aufrechnung (gemeint also der Aufrechnungserklärung)
▪ |
eine Urkunde über die Abtretung oder |
▪ |
eine Anzeige des Beschuldigten über die Abtretung |
in den Akten vorliegen muss.
Wird eine nur vom Mandanten unterschriebene Abtretungserklärung vorgelegt, ist dies zwar keine "Urkunde über die Abtretung", aber auch dann eine "Anzeige des Beschuldigten über die Abtretung", wenn sie vom Verteidiger, und nicht vom Mandanten, zur Akte gegeben wird.
Rz. 32
Fehlt es an einer wirksamen Urkunde über die Abtretung oder einer wirksamen Anzeige, bleibt die Aufrechnung wirksam. Mit dieser Regelung sollen Zweifel an der Wirksamkeit der Aufrechnungserklärung ausgeschlossen werden. Es soll verhindert werden, dass im Nachhinein eine Abtretung vordatiert wird. Zudem enthält diese Vorschrift auch einen gewissen Vertrauensschutz für die Staatskasse.
Beispiel 1: Zu Beginn des Verfahrens lässt sich der Verteidiger wegen seiner Gebühren sämtliche eventuellen Erstattungsansprüche abtreten. Die Abtretung wird
a) |
mündlich vereinbart, |
b) |
in einer Urkunde festgehalten. |
Die Abtretung wird jedoch nicht offen gelegt. Nach rechtskräftigem Abschluss rechnet die Staatskasse ab. Nunmehr beruft sich der Verteidiger auf
a) |
die mündliche Abtretung, |
b) |
die nunmehr vorgelegte Abtretungsurkunde. |
In beiden Fällen wird er durch S. 1 nicht mehr geschützt. Die Abtretung als solche bleibt zwar wirksam. Die Staatskasse kann jedoch auch nach Offenlegung der Abtretung gegenüber dem Anwalt aufrechnen.
Hatte die Staatskasse allerdings Kenntnis von der Abtretung, bevor ihre Forderung fällig geworden ist, ist die Aufrechnung nach § 406 BGB erst gar nicht möglich. Dem Schutz des S. 1 bedarf es dann nicht mehr.
Beispiel 2: Zu Beginn des Verfahrens lässt sich der Verteidiger sämtliche Erstattungsansprüche abtreten. Der Mandant wird auf Kosten der Staatskasse freigesprochen. Nunmehr erklärt der Verteidiger schriftsätzlich, dass ihm die Forderung abgetreten sei, legt eine Inkassovollmacht vor und beantragt die Kostenfestsetzung und Auszahlung des festzusetzenden Betrages an sich. Eine Abtretungsurkunde legt er nicht vor. In einem späteren Verfahren wegen einer anderen Tat wird der Beschuldigte zu einer Geldstrafe verurteilt. Nunmehr erklärt die Staatskasse die Aufrechnung.
Eine Aufrechnung ist nach § 406 BGB gar nicht möglich, da zum Zeitpunkt der Fälligkeit der G...