I. Verfahrensrechtlicher Anwendungsbereich
Rz. 7
Die Vorschrift des § 43 gilt für Erstattungsansprüche des "Beschuldigten" oder "Betroffenen". Daher beschränkt sich der Anwendungsbereich auf Strafverfahren und Bußgeldverfahren, was sich zudem aus der Überschrift zu Abschnitt 7 des RVG ergibt. Ebenfalls anzuwenden ist § 43 aber auch auf Verfahren nach VV Teil 6, die einen Beschuldigten oder Betroffenen kennen.
Rz. 8
Dagegen ist die Vorschrift nicht anwendbar auf andere Verfahren oder Verfahrenskonstellationen. So ist § 43 nicht anwendbar in sozial- oder verwaltungsrechtlichen Verfahren. Auch kann z.B. der Anwalt eines insolventen Auftraggebers kein Vorrecht an dessen Kostenerstattungsanspruch geltend machen.
II. Persönlicher Anwendungsbereich
Rz. 9
§ 43 gilt für alle Rechtsanwälte, die den Angeklagten im Laufe des Verfahrens vertreten haben. Die Vorschrift ist daher nicht auf den Vollverteidiger im Strafverfahren beschränkt, sondern gilt auch für den Verteidiger in der Strafvollstreckung und den Anwalt, der lediglich mit Einzeltätigkeiten (VV 4300 ff.) beauftragt war.
Rz. 10
Auf einen Rechtsbeistand, sofern er als Verteidiger zugelassen wurde (§ 138 Abs. 2 StPO), ist die Vorschrift entsprechend anwendbar (Art. IX Rpflege-AnpassungsG).
Rz. 11
Auf weitere Vertreter ist die Vorschrift nicht anwendbar, selbst dann nicht, wenn sie als Verteidiger zugelassen sind (z.B. Hochschullehrer).
Rz. 12
§ 43 ist auch nicht auf eine Abtretung an eine anwaltliche Verrechnungsstelle anzuwenden. Sie ist hier nur zu beachten, wenn der Anwalt sich die Forderung zunächst in der gehörigen Form des § 43 hat abtreten lassen und er dann wiederum seinerseits die Forderung an die Verrechnungsstelle abtritt. Dann bleibt der einmal entstandene Schutz des § 43 erhalten.
Rz. 13
Auch auf den Angeklagten selbst ist die Vorschrift nicht anwendbar. Seine Erstattungsansprüche wegen persönlicher Auslagen, z.B. Terminreisekosten (§ 464a Abs. 2 Nr. 1 StPO), sind daher nicht bevorrechtigt. Soweit der Angeklagte insoweit einen Erstattungsanspruch hat, kann hiergegen immer die Aufrechnung erklärt werden, auch wenn die Ansprüche abgetreten sind (§ 407 BGB).
III. Sachlicher Anwendungsbereich
1. Forderungen der Staatskasse
Rz. 14
Es müssen Forderungen der Staatskasse aus einem Straf- oder Bußgeldverfahren bestehen. Dabei muss es sich nicht um dasselbe Verfahren handeln, in dem der Verurteilte Erstattungsansprüche erworben hat. Die Ansprüche können auch aus anderen Verfahren herrühren, etwa einer früheren Verurteilung.
Beispiel: Der Angeklagte wird wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 1.000 EUR verurteilt. Bevor die Geldstrafe vollstreckt ist, wird er in einem weiteren Verfahren wegen des Verdachts des Betruges auf Kosten der Staatskasse freigesprochen. Die Staatskasse kann gegen den Kostenerstattungsanspruch des Angeklagten die Aufrechnung erklären.
Rz. 15
Unerheblich ist, ob die Ansprüche der Staatskasse aus der Verurteilung in der Hauptsache, also aus der Geldstrafe resultieren, oder ob es sich um Kostenforderungen handelt. Wenn also in dem zuvor genannten Beispiel die Geldstrafe bereits gezahlt wurde, so dass nur noch die Verfahrenskosten offen sind, kann die Staatskasse mit diesem Anspruch gegen den Erstattungsanspruch des Angeklagten aufrechnen.
2. Abgetretene Forderungen
Rz. 16
Bei den, dem Verteidiger abgetretenen Forderungen muss es sich um Ansprüche auf Erstattung von Anwaltskosten als notwendige Auslagen nach § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO handeln.
Rz. 17
Zwar ist die frühere Klammerdefinition in § 96a BRAGO, die auf §§ 464b, 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO hinwies, weggefallen. Eine inhaltliche Änderung ist damit jedoch nicht verbunden. Insbesondere wird man aus dem Wegfall der Verweisung auf § 464b S. 2 und 3 StPO nicht folgern können, dass nur der Anspruch auf Erstattung der Auslagen selbst, aber nicht auch auf die hieraus zwischenzeitlich angefallenen Zinsen geschützt ist. Weder aus der Begründung noch aus sonstigen Umständen ergibt sich jedenfalls, dass der Gesetzgeber hier eine Änderung vornehmen wollte.
Rz. 18
Aus der Eingrenzung, dass es sich um notwendige Auslagen handeln muss, folgt – wie bisher –, dass nur solche abgetretenen Ansprüche in den Schutzbereich des S. 1 fallen, die notwendig i.S.d. § 464a StPO waren.
Rz. 19
Daher sind von vornherein diejenigen Ansprüche des Auftraggebers ausgeschlossen, die nicht unter § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO fallen, sondern unter § 464a Abs. 2 Nr. 1 StPO, wie z.B. ein Anspruch auf Erstattung von eigenen Reisekosten der Partei, Zeitversäumnis, Verdienstausfall oder auch von privaten Gutachterkosten. Soweit auch diese Ansprüche an den Verteidiger abgetreten wurden, kann hiergegen unbeschadet der Vorschrift des § 43 immer aufgerechnet werden, auch nach Abtretung (§ 407 BGB).
Rz. 20
Die Vorschrift ...