1. Bisherige Regelung
Rz. 27
Umstritten war zur BRAGO die Frage, ob die Abtretung der Erstattungsansprüche vor der Aufrechnungserklärung abgegeben sein musste oder ob der Verteidiger auch dann noch in den Genuss des § 43 (vormals: § 96a BRAGO) kommen konnte, wenn er sich nach der Aufrechnungserklärung der Staatskasse die Erstattungsansprüche seines Auftraggebers abtreten ließ. Die gesetzliche Regelung hierzu war unklar. Der Gesetzgeber hatte bei seinen zahlreichen zwischenzeitlichen Novellierungen die Vorschrift des damaligen § 96a BRAGO offenbar stets übersehen. Dies ist jetzt nachgeholt. Auf die ältere Rechtsprechung kann daher nicht mehr zurückgegriffen werden.
Von einem Großteil der Rechtsprechung und Literatur wurde aufgrund der Vorschrift des § 96a BRAGO die Abtretung des Kostenerstattungsanspruchs auch dann noch für zulässig gehalten, wenn die Staatskasse die Aufrechnung bereits erklärt hatte. Diese Ansicht berief sich insbesondere auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift sowie darauf, dass der Verteidiger nicht ausreichend geschützt sei, wenn man eine spätere Aufrechnung nicht ebenfalls berücksichtigen würde.
Ein Großteil der Rechtsprechung hatte dies abgelehnt. Abgesehen davon, dass nicht ersichtlich war, wie eine erloschene Forderung (§ 389 BGB) noch sollte abgetreten werden können, bestand jedenfalls kein schutzwürdiges Interesse des Anwalts, da er sich beizeiten die Erstattungsansprüche des Auftraggebers hätte abtreten lassen können. Er hat die Möglichkeit, die Abtretung sogleich mit Beginn des Mandats zu vereinbaren und sich die zukünftigen eventuellen Ansprüche abtreten zu lassen. Damit hat er also einen erheblichen Zeitvorsprung vor der Staatskasse, die die Aufrechnung erst nach Rechtskraft der Entscheidung erklären kann. Die Gegenauffassung wollte den Anwalt daher lediglich vor seinen eigenen Versäumnissen schützen. Dazu bestand jedoch kein Anlass. Abgesehen davon war die Gegenauffassung praktisch auch kaum durchführbar.
2. Neufassung
a) Gesetzliche Regelung
Rz. 28
Nach der jetzigen Regelung ist die Aufrechnung nur noch dann unwirksam, wenn zum Zeitpunkt der Aufrechnung eine Urkunde über die Abtretung oder eine Anzeige des Beschuldigten oder Betroffenen über die Abtretung in den Akten vorliegt. Mit diesem S. 2 ist die vorstehend (siehe Rdn 27 ff.) dargestellte bisherige Streitfrage geklärt werden. Mit der neuen Regelung soll es bei der Systematik des BGB verbleiben, dass eine Forderung zum Zeitpunkt der Abtretung noch bestehen muss. Eine Aufrechnung der Staatskasse kann daher nach S. 2 nur noch unwirksam sein, wenn die Abtretung der Kostenerstattungsansprüche vor Abgabe der Aufrechnungserklärung vereinbart worden war.
Rz. 29
Die neue Regelung geht allerdings über die Klärung der früheren Streitfragen hinaus, indem sie anordnet, dass die Unwirksamkeit nicht nur voraussetzt, dass die Abtretung vor Abgabe der Aufrechnungserklärung vereinbart worden ist; die Vorschrift ordnet vielmehr auch an, dass die Aufrechnung nur dann unwirksam ist, wenn eine Urkunde über die Abtretung oder eine Anzeige des Beschuldigten oder Betroffenen über die Abtretung zum Zeitpunkt der Aufrechnung in den Akten vorliegt. Diese Formulierung ist allerdings in mehrfacher Hinsicht unklar.
b) Aufrechnung
Rz. 30
Zum einen ist unklar, was mit dem "Zeitpunkt der Aufrechnung" gemeint ist. Diese Formulierung kann durchaus so verstanden werden, dass damit der Zeitpunkt des § 389 BGB gemeint ist, nämlich der, in dem sich die Forderungen erstmals aufrechenbar gegenüberstanden und zu dem die Aufrechnung gemäß § 389 BGB wirkt. Aus der Begründung ergibt sich jedoch, dass dies nicht gemeint ist. Der Anwalt soll weiterhin geschützt bleiben, wenn die Abtretung erst nach Eintritt der Aufrechnungslage vereinbart wird. Die Möglichkeit, auch dann gemäß § 406 BGB gegenüber dem neuen Gläubiger aufzurechnen, soll für die Staatskasse ausgeschlo...