Peter Fölsch, Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
I. Zivil- und berufsrechtliche Hinweispflichten
Rz. 11
Ist für den Anwalt zu erkennen, dass beim Rechtsuchenden die Voraussetzungen für die Bewilligung von Beratungshilfe gegeben sind, so muss er ihn auf die Möglichkeit der Beratungshilfe hinweisen. Dies ist eine zivilrechtliche Nebenpflicht im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB. Eine berufsrechtliche Hinweispflicht ergibt sich auch aus § 16 BORA.
II. Voraussetzungen
Rz. 12
Die Hinweispflicht des Anwalts besteht aber nur, wenn für ihn Anhaltspunkte bestehen, dass der Mandant die Voraussetzungen für Bewilligung von Beratungshilfe erfüllt. Der Anwalt muss sich dabei nicht der Bewilligung sicher sein. Die ernsthaft in Betracht zu ziehende Aussicht genügt. Die Obliegenheit zur Offenlegung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse trifft den Auftraggeber. Verschweigt dieser seine finanziellen Verhältnisse, kann der Anwalt die volle Wahlanwaltsvergütung auch dann abrechnen, wenn die Voraussetzungen für Beratungshilfe vorgelegen haben.
Rz. 13
Voraussetzung ist, dass der Mandant ausdrücklich oder stillschweigend auf seine finanziellen Verhältnisse aufmerksam gemacht hat oder dass sich die entsprechenden finanziellen Verhältnisse aus den vom Anwalt gegebenenfalls zu ermittelnden Umständen ergeben. Solche Umstände treten häufig in Unterhaltssachen auf, in denen der Mandant dem Anwalt vollständige Auskunft über seine Einkünfte erteilen muss. Gleiches gilt, wenn der Mandant Sozialhilfe oder vergleichbare Leistungen bezieht.
Rz. 14
Weiß der Anwalt dagegen, dass dem Mandanten finanzielle Mittel zugeflossen sind, muss er keine Erhebungen anstellen. Hinweise sind dann auch nicht erforderlich. Dies gilt selbst dann, wenn der Mandant Sozialhilfe oder ähnliche Leistungen bezieht und er dort seine tatsächlichen finanziellen Verhältnisse verschwiegen hat.
Rz. 15
Die Hinweispflicht wird nicht dadurch entbehrlich, dass der Anwalt ein gerichtliches Verfahren für unumgänglich hält.
Rz. 16
Ebenso bleibt die Hinweispflicht selbst dann bestehen, wenn der Anwalt davon ausgeht, dass dem Auftraggeber die volle Vergütung vom Gegner zu erstatten sein wird.
III. Verstoß gegen Hinweispflichten
Rz. 17
Verstößt der Anwalt gegen seine Hinweispflicht, unterlässt er also den Hinweis auf die Möglichkeit der Beratungshilfe, macht er sich schadensersatzpflichtig, sodass er seine Wahlanwaltsvergütung nicht verlangen kann, wenn dem Rechtsuchenden Beratungshilfe bewilligt worden wäre. Er kann dann seine Wahlanwaltsvergütung lediglich in Höhe der Beratungshilfegebühr nach VV 2500 in Höhe von 15 EUR geltend machen. Im Übrigen steht der Geltendmachung der Schadensersatzanspruch des Auftraggebers entgegen.
Rz. 18
Den Rechtsuchenden trifft allerdings ein Mitverschulden, das den Schadensersatzanspruch gegenüber dem Anwalt sogar völlig beseitigen kann, wenn der Rechtsuchende – sofern dies noch möglich ist – nachträglich keinen Beratungshilfeantrag stellt.
IV. Keine Hinweispflicht
Rz. 19
Ein Rechtsanwalt ist dagegen nicht verpflichtet, einen Mandanten, der ihn zu einer Beratung aufsucht, auf die Möglichkeit der Beratungshilfe hinzuweisen, wenn er ohne Vorschuss tätig wird und bereit ist, seinen Vergütungsanspruch vom Eingang einer ihm als sicher hingestellten, die Hilfsbedürftigkeit des Mandanten beseitigenden Leistung eines Dritten an den Mandanten (hier: einer Versicherungsleistung) abhängig zu machen. Es ist weder rechts- noch berufsrechtswidrig, wenn ein Rechtsanwalt dieses Risiko übernimmt.