Peter Fölsch, Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
1. Geschäftsreisen des beigeordneten oder bestellten Anwalts
a) Geschäftsreisen zu auswärtigen Terminen
Rz. 9
Grundsätzlich kann ein Anwalt Reisekosten nach VV 7003–7006 abrechnen, wenn er eine Geschäftsreise durchführt. Eine Geschäftsreise liegt vor, wenn das Reiseziel außerhalb der Gemeinde liegt, in der sich die Kanzlei oder die Wohnung des Anwalts befindet (dazu VV Vorb. 7 Abs. 2). Aus § 46 Abs. 1 ergibt sich aber die zusätzliche Voraussetzung, dass eine Festsetzung von Reisekosten gegenüber der Staatskasse unterbleibt, wenn diese Auslagen zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich waren. Ein beigeordneter oder bestellter Anwalt wird sich deshalb die Frage zu stellen haben, ob er zur pflichtgemäßen Ausübung seiner Tätigkeit im Rahmen der Beiordnung oder Bestellung eine Geschäftsreise unternehmen darf oder gar muss. Das betrifft insbesondere auswärtige Gerichtstermine zur Durchführung einer Beweisaufnahme (z.B. Ortstermin zur Augenscheinseinnahme, Termin zur Vernehmung eines nicht reisefähigen Zeugen), aber auch Besuche des Pflichtverteidigers in der JVA oder Reisen des Anwalts zur Durchführung eigener Ermittlungen. Maßstab für die Verpflichtung der Staatskasse, die Kosten einer solchen Reise zu tragen, ist nach Abs. 1 S. 1 allein ihre Notwendigkeit für die zweckentsprechende Wahrnehmung der vertretenen Rechtsposition (§ 46 Abs. 1), nicht hingegen (auch) ein Auftrag der Partei.
b) Zeitpunkt der Beurteilung
Rz. 10
Ob eine Maßnahme zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung objektiv erforderlich ist, beurteilt sich allerdings aus der Sicht einer verständigen Partei im Zeitpunkt der kostenauslösenden Handlung. Reisekosten zu Gerichtsterminen sind stets erforderlich. Das Risiko einer Terminsabwesenheit hat weder die Partei noch der beigeordnete Anwalt hinzunehmen. Kostengesichtspunkte müssen deshalb insoweit zurücktreten. Dies gilt etwa auch dann, wenn der beigeordnete Anwalt erst im Termin ein Anerkenntnis erklärt, auch wenn er das Anerkenntnis schon schriftsätzlich hätte erklären können und das Gericht ein Urteil ohne mündliche Verhandlung hätte erlassen können.
c) Sichtweise bei der Beurteilung
Rz. 11
Auch ansonsten hat die Staatskasse Geschäftsreisekosten des beigeordneten Anwalts gem. VV 7003 ff. zu tragen, "wenn auch eine nicht arme Partei bei vernünftiger und nicht zu ängstlicher Beurteilung des Sachverhalts ihren Anwalt mit der Reise beauftragt haben würde", weil die arme Partei "regelmäßig bei der Beurteilung dessen, was für ihre Interessen als erforderlich zu gelten hat, nicht schlechter als die vermögende Partei gestellt werden" darf. Maßgebend ist also die objektive Sicht eines verständigen sachkundigen Dritten.
d) Geschäftsreisen zur nicht reisefähigen Partei
Rz. 12
Haben die Partei und der beigeordnete oder bestellte Anwalt ihren Sitz nicht am selben Ort, so stellt sich für den Anwalt wiederum die Frage, ob er eine oder mehrere Geschäftsreisen zwecks Besprechung mit der auswärtigen Partei unternehmen soll, insbesondere wenn diese aus persönlichen Gründen (Gebrechlichkeit, Krankheit) nicht reisefähig erscheint. Möchte der Anwalt Klarheit über die Erforderlichkeit der Reisekosten, kann und sollte er eine Entscheidung nach Abs. 2 S. 1 herbeiführen oder einen Kostenvorschuss gem. § 47 aus der Staatskasse verlangen (vgl. Rdn 75 f.).
2. Reisekosten des nicht am Sitz des Gerichts niedergelassenen Anwalts
a) Grundlagen: Regelung in § 121 Abs. 3 ZPO
Rz. 13
§ 46 Abs. 1 unterscheidet für die Erforderlichkeit von Reisekosten seinem Wortlaut nach nicht zwischen einem Anwalt, der seinen Sitz am Ort des Prozessgerichts hat, und einem Anwalt, der seinen Sitz nicht am Ort oder gar nicht im Bezirk des Prozessgerichts hat (vgl. Rdn 1).
Rz. 14
Das Mehrkostenverbot des § 121 Abs. 3 ZPO und deren Kostenfolge für die Staatskasse wurde vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich angesprochen.
Rz. 15
Gem. § 121 Abs. 3 ZPO kann ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Anwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Für das Mehrkostenverbot des § 121 Abs. 3 ZPO kommt es auf die sog. Bezirksansässigkeit an, nicht auf eine Ortsansässigkeit. Das frühere berufsrechtliche Lokalisationsprinzip ist vollständig aufgehoben. Die Zulassung nimmt die Rechtsanwaltskammer bezogen auf ihren Bezirk vor. Für die Beiordnung ei...