Peter Fölsch, Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
1. Feststellung zur Erforderlichkeit einer Reise
Rz. 55
Der Beurteilungsmaßstab für die Erforderlichkeit von Reisekosten (vgl. Rdn 8) ist mit Unwägbarkeiten verbunden, die im Einzelfall eine sichere Vorhersage darüber, wie der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle nachträglich im Festsetzungsverfahren nach § 55 wohl entscheiden wird, nicht zulassen. Das gilt ebenso für sonstige Auslagen (Aufwendungen) des beigeordneten Anwalts (VV Vorb. 7 Abs. 1 S. 2). Zwar kommt ihm das Gesetz mit der Vermutung entgegen, dass getätigte Auslagen im Zweifel erforderlich gewesen sind (vgl. Rdn 7). Für jedermann nachvollziehbare Anhaltspunkte, was noch als erforderlich oder schon als unnötig angesehen werden wird, fehlen indes.
Zitat
"Entsprechend groß kann das Risiko sein, dem der Armenanwalt von Fall zu Fall ausgesetzt ist: Unterlässt er aus Kostengründen eine Maßnahme, so setzt er sich unter Umständen dem Vorwurf der Pflichtverletzung oder gar der Gefahr aus, Schadensersatz leisten zu müssen; ergreift er sie, so kann der Fall eintreten, dass ihm später gesagt wird, die Maßnahme sei nicht erforderlich gewesen und er muss möglicherweise die Kosten hierfür aus eigener Tasche zahlen. Es erscheint weder gerechtfertigt, den durch das Gericht beigeordneten Rechtsanwalt solchen Gefahren auszusetzen, noch ist es vertretbar, die Risiken, die sich aus einer solchen Situation ergeben, der armen Partei anzulasten."
Diesen Interessenkonflikt des beigeordneten und bestellten Anwalts hat der Gesetzgeber als unzumutbar angesehen und ihm deshalb durch § 46 Abs. 2 das Recht auf eine Voranfrage bei Gericht eingeräumt, ob eine beabsichtigte Reise für erforderlich gehalten wird.
2. Verfahren/Verfahrensgegenstand
Rz. 56
Den Antrag nach § 46 Abs. 2 S. 1 und 3 kann nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift nur der Rechtsanwalt stellen. Der Staatskasse steht ein Antragsrecht insoweit nicht zu. Der Antrag auf Feststellung der Erforderlichkeit muss gestellt werden, bevor die Reisekosten anfallen. Zuständig ist das Gericht des Rechtszugs in voller Besetzung; eine Übertragung der Entscheidung auf den Rechtspfleger ist nicht erfolgt (§ 20 Nr. 4, 5 RPflG). Vor der Feststellung ist dem Vertreter der Staatskasse rechtliches Gehör zu gewähren (Art. 103 GG). Die Feststellung trifft das Gericht durch Beschluss; die Reise oder die erfassten Aufwendungen sollten in dem Beschluss genau bezeichnet sein, um dem Urkundsbeamten die Zuordnung im Festsetzungsverfahren gem. § 55 zu erleichtern. Eine Rechtsbehelfsbelehrung (§ 12c) ist nicht erforderlich, weil die Entscheidung in keinem Fall anfechtbar ist (vgl. Rdn 61).
Rz. 57
Möglich ist die Feststellungsentscheidung nur für finanzielle Aufwendungen, nicht aber der Aufwand an Arbeitszeit. Dieser wird über die Gebührensätze (ggf. gem. §§ 42, 51, § 14 Abs. 1) berücksichtigt, ohne dass schon vorher einzelne Tätigkeiten, die zudem individuell verschieden sein können und zudem schon Teil der allgemeinen Verfahrensvorbereitung sind, auf einen konkreten Zeitaufwand hin fixiert werden. Es kann auch nur die Erforderlichkeit einer konkret anstehenden Aufwendung festgestellt werden. Eine generelle Feststellung für inhaltlich nicht näher beschriebene und zahlenmäßig nicht begrenzte Aufwendungen ist ausgeschlossen.
Eine Feststellungsentscheidung zur Höhe der Auslagen ist unzulässig.
3. Bindungswirkung
Rz. 58
Die Entscheidung bindet den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle (rechtlich) nur, wenn das Gericht die Erforderlichkeit der Reise feststellt, und zwar nach dem klaren Wortlaut vor deren Antritt. Danach besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für die Herbeiführung einer Feststellungsentscheidung mehr. Der Urkundsbeamte darf die Entscheidung nicht mehr infrage stellen, auch wenn nach der Entscheidung neue Tatsachen oder Umstände bekannt werden.
Rz. 59
Entscheidet das Gericht erst nach dem Antritt der Reise oder der Entstehung einer anderen Aufwendung, ist die Entscheidung zwar wirksam, jedoch für das Festsetzungsverfahren nach § 55 nicht bindend. Wird die Feststellung der Erforderlichkeit abgelehnt, entfaltet die Entscheidung keine Bindungswirkung für das Vergütungsfestsetzungsverfahren.
4. Prüfungsbefugnis des Urkundsbeamten
Rz. 60
Wird die Erforderlichkeit gem. § 46 Abs. 2 ...