Peter Fölsch, Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
a) Unterschied zwischen Vorschuss gem. § 9 und gem. § 47
Rz. 9
Der Gebührenvorschussanspruch des beigeordneten oder bestellten Anwalts soll diesem speziell für die Zeit zwischen Entstehung und Fälligkeit (§ 8) der Gebühr eine Vergütung zukommen lassen. Erfasst wird die Zeitspanne der Erfüllbarkeit (§ 271 Abs. 2 BGB). Das Vorschussrecht nach § 47 gegen die Staatskasse erstreckt sich nur auf die entstandenen Gebühren. Dagegen kann der Rechtsanwalt gem. § 9 von seinem Auftraggeber für die entstandenen und die voraussichtlich entstehenden Gebühren und Auslagen einen angemessenen Vorschuss fordern. Ist der Rechtsanwalt im Wege der Prozess- oder der Verfahrenskostenhilfe beigeordnet, kann dieser Vorschussanspruch allerdings wegen § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht geltend gemacht werden (Forderungssperre).
Rz. 10
Damit bleibt der öffentlich-rechtliche Vorschussanspruch des Anwalts nach § 47 gegenüber der Staatskasse deutlich hinter dem zivilrechtlichen Vorschussanspruch gegenüber der Partei gem. § 9 zurück, der den Anwalt schon hinsichtlich noch nicht verdienter bzw. noch nicht entstandener Gebühren finanziell absichert. Im Verhältnis zur Staatskasse spielt jedoch dieser Sicherungsgedanke keine Rolle und ohne ein Sicherungsbedürfnis des Anwalts lässt sich kein sachlicher Grund aufzeigen, weshalb er vor seiner gebührenauslösenden Leistung bezahlt werden sollte.
b) Entstandene Gebühren in voller Höhe
Rz. 11
Soweit Gebühren entstanden sind (Anspruchsvoraussetzungen siehe § 45 Rdn 30 ff.), darf der Anwalt sie in voller Höhe geltend machen. Der Vorschussanspruch besteht in demselben Umfang wie der Erfüllungsanspruch. Insbesondere dann, wenn ein Vorschuss nur für bereits verdiente Gebühren verlangt werden kann, erscheint es angemessen, dass dem Anwalt der Gesamtbetrag als Vorschuss zusteht. Für noch nicht entstandene Gebühren (z.B. eine Terminsgebühr, wenn ein Termin noch nicht wahrgenommen worden ist) kann ein Vorschuss nicht gefordert werden; die voraussichtliche Entstehung reicht nicht aus. Abweichend von dem Grundsatz, dass Gebühren bereits entstanden sein müssen, gewährt § 51 Abs. 1 S. 5 dem Pflichtverteidiger eine Sonderstellung, indem dieser schon auf eine zu erwartende Pauschgebühr einen Vorschuss verlangen kann. Voraussetzungen sind allerdings, dass das Strafverfahren lange dauert, die Pauschgebühr mit Sicherheit zu erwarten ist und es für den Verteidiger unzumutbar ist, die Festsetzung der endgültigen Pauschgebühr abzuwarten (siehe § 51 Rdn 119).
c) Wertgebühren (§ 49) und weitere Vergütung (§ 50)
Rz. 12
Bei Wertgebühren beschränkt sich der Vorschussanspruch auf die Vergütung nach der Gebührentabelle des § 49. Erwächst dem Anwalt bei einer Beiordnung im Wege der Prozesskostenhilfe darüber hinaus ein Anspruch gegen die Staatskasse auf weitere Vergütung (§ 50), kann er diesen erst am Schluss des Verfahrens geltend machen (siehe § 50 Rdn 18). Weil dann ohnehin die Abrechnungsvoraussetzungen sämtlich vorliegen, bedarf es insoweit einer Vorschussregelung nicht.
d) Betragsrahmengebühren
Rz. 13
Bei Betragsrahmengebühren, wie sie in Sozialgerichtsverfahren anfallen (VV 3102, 3106), lässt sich die tatsächlich verdiente Gebühr nicht so ohne weiteres ermitteln. Der nach § 73a Abs. 1 S. 1 SGG im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Anwalt kann jedoch auch in diesen Fällen Vorschuss beanspruchen. Dabei ist der Vorschuss in der Regel in Höhe der Mittelgebühr des Normalrahmens zugrunde zu legen. Die Angemessenheit ist aber auch hier auf den Einzelfall bezogen zu betrachten und entsprechend zu berücksichtigen. Bei Betragsrahmengebühren ist dabei für die Gewährung des Vorschusses nur erforderlich, dass die Gebühr dem Grunde nach entstanden ist. Eine Entstehung der Gebühr der Höhe nach im Sinne der in § 14 Abs. 1 genannten Kriterien im Einzelnen ist nicht nötig. Ist der Betragsrahmen hingegen für den beigeordneten oder bestellten Anwalt auf eine Festgebühr reduziert worden (VV Teil 4–6), besteht der Vorschussanspruch in dieser Höhe.