Peter Fölsch, Norbert Schneider
a) Überblick
Rz. 131
Für die Verbindung mehrerer Verfahren enthält Abs. 6 S. 3 eine besondere Regelung, die allerdings nur in bestimmten Fällen anzuwenden ist. In anderen Fällen gelten bereits Abs. 6 S. 1 und Abs. 6 S. 2, sodass es auf Abs. 6 S. 3 erst gar nicht ankommt.
Rz. 132
Zu beachten ist, dass die Vorschrift des Abs. 6 S. 3 mit dem KostRÄG 2021 neu gefasst worden ist. Damit ist eine wesentliche bisherige Streitfrage geklärt worden.
Rz. 133
Erforderlich ist eine echte Verbindung, bei der die bisherigen getrennten Verfahren zu einem einzigen verschmelzen, also z.B. nach § 4 und § 13 Abs. 2 StPO. Eine bloße Verbindung nach § 237 StPO zum Zwecke gemeinsamer Verhandlung reicht nicht aus.
b) Beiordnung oder Bestellung erst nach Verbindung
Rz. 134
Werden mehrere Verfahren miteinander verbunden und wird der Anwalt erst danach in den verbundenen Verfahren vom Gericht bestellt oder beigeordnet, gilt Abs. 6 S. 1 oder im Rechtsmittelverfahren Abs. 6 S. 2. Auf Abs. 6 S. 3 kommt es in diesem Fall gar nicht an. Das ist jetzt durch die Neufassung des Abs. 6 S. 3 klargestellt worden. Die bisherige Streitfrage, ob auch bei dieser Konstellation eine Erstreckungsanordnung auszusprechen ist, hat sich damit erledigt.
Rz. 135
Wird der Anwalt nach Verbindung im erstinstanzlichen Verfahren bestellt oder beigeordnet, erhält er nach Abs. 6 S. 1 sämtliche Gebühren aus der Landeskasse, die bis dahin angefallen waren.
Beispiel: Gegen den Angeklagten waren zunächst zwei Ermittlungsverfahren wegen Betruges (Az. 1/21) und wegen Diebstahls (Az. 2/21) geführt worden. In beiden Fällen wurde Anklage erhoben. Nach Anklageerhebung wurden beide Verfahren miteinander verbunden und der Anwalt als Pflichtverteidiger bestellt. Führend ist das Verfahren 2/21. Hiernach wird die Hauptverhandlung durchgeführt.
Nach Abs. 6 S. 1 wirkt die Bestellung zurück. Der Anwalt erhält also sämtliche Gebühren und Auslagen aus der Landeskasse:
I. Vorbereitendes Verfahren 1/21
1. |
Grundgebühr, VV 4100 |
|
176,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, VV 4104 |
|
145,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
341,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
64,79 EUR |
Gesamt |
|
405,79 EUR |
II. Erstinstanzliches gerichtliches Verfahren 1/21
1. |
Verfahrensgebühr, VV 4106 |
|
145,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
165,00 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
31,35 EUR |
Gesamt |
|
196,35 EUR |
III. Vorbereitendes Verfahren 2/21
1. |
Grundgebühr, VV 4100 |
|
176,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, VV 4104 |
|
145,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
341,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
64,79 EUR |
Gesamt |
|
405,79 EUR |
IV. Erstinstanzliches gerichtliches Verfahren 2/21
1. |
Verfahrensgebühr, VV 4106 |
|
145,00 EUR |
2. |
Terminsgebühr, VV 4108 |
|
242,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
407,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
77,33 EUR |
Gesamt |
|
484,33 EUR |
Rz. 136
Bei einer Verbindung im Berufungsverfahren gilt Abs. 6 S. 2. Die Erstreckung wirkt jetzt nur auf die Rechtsmittelinstanz zurück. Auf Abs. 6 S. 3 kommt es in diesem Fall wiederum nicht an.
Beispiel: Wie vorangegangenes Beispiel; jedoch wird der Angeklagte vom Amtsgericht in beiden Verfahren gesondert verurteilt. Im Berufungsverfahren werden die beiden Berufungen vor der Hauptverhandlung miteinander verbunden und der Anwalt als Pflichtverteidiger bestellt. Anschließend wird die Hauptverhandlung durchgeführt.
Jetzt gilt Abs. 6 S. 2. Der Anwalt kann sämtliche Gebühren beider Berufungsverfahren aus der Landeskasse verlangen. Die Vergütung für die erste Instanz und das vorbereitende Verfahren erhält er dagegen nicht aus der Landeskasse.
I. Berufungsverfahren 1/21
1. |
Verfahrensgebühr, VV 4124 |
|
282,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
302,00 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
57,38 EUR |
Gesamt |
|
359,38 EUR |
II. Berufungsverfahren 2/21
1. |
Verfahrensgebühr, VV 4124 |
|
282,00 EUR |
2. |
Terminsgebühr, VV 4126 |
|
282,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
584,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
110,96 EUR |
Gesamt |
|
694,96 EUR |
Rz. 137
Zu beachten ist auch hier, dass nur ein früherer Zeitpunkt der Bestellung oder Beiordnung fingiert wird. Die Vergütung des Anwalts muss dagegen entstanden sein. Sie wird nicht fingiert.
c) Beiordnung oder Bestellung vor Verbindung
Rz. 138
Ebenfalls kein Fall des Abs. 6 S. 3 liegt vor, wenn der Anwalt in den verbundenen Verfahren jeweils bereits zuvor bestellt oder beigeordnet worden war. Die Verbindung wirkt sich dann letztlich gar nicht mehr aus, da der Anwalt bereits in sämtlichen Verfahren mit entsprechender Rückwirkung bestellt bzw. beigeordnet war und entsprechende Ansprüche gegen die Landeskasse verdient hat.
Beispiel: Gegen den späteren Angeklagten war zunächst getrennt ermittelt word...