Peter Fölsch, Norbert Schneider
Rz. 134
Werden mehrere Verfahren miteinander verbunden und wird der Anwalt erst danach in den verbundenen Verfahren vom Gericht bestellt oder beigeordnet, gilt Abs. 6 S. 1 oder im Rechtsmittelverfahren Abs. 6 S. 2. Auf Abs. 6 S. 3 kommt es in diesem Fall gar nicht an. Das ist jetzt durch die Neufassung des Abs. 6 S. 3 klargestellt worden. Die bisherige Streitfrage, ob auch bei dieser Konstellation eine Erstreckungsanordnung auszusprechen ist, hat sich damit erledigt.
Rz. 135
Wird der Anwalt nach Verbindung im erstinstanzlichen Verfahren bestellt oder beigeordnet, erhält er nach Abs. 6 S. 1 sämtliche Gebühren aus der Landeskasse, die bis dahin angefallen waren.
Beispiel: Gegen den Angeklagten waren zunächst zwei Ermittlungsverfahren wegen Betruges (Az. 1/21) und wegen Diebstahls (Az. 2/21) geführt worden. In beiden Fällen wurde Anklage erhoben. Nach Anklageerhebung wurden beide Verfahren miteinander verbunden und der Anwalt als Pflichtverteidiger bestellt. Führend ist das Verfahren 2/21. Hiernach wird die Hauptverhandlung durchgeführt.
Nach Abs. 6 S. 1 wirkt die Bestellung zurück. Der Anwalt erhält also sämtliche Gebühren und Auslagen aus der Landeskasse:
I. Vorbereitendes Verfahren 1/21
1. |
Grundgebühr, VV 4100 |
|
176,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, VV 4104 |
|
145,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
341,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
64,79 EUR |
Gesamt |
|
405,79 EUR |
II. Erstinstanzliches gerichtliches Verfahren 1/21
1. |
Verfahrensgebühr, VV 4106 |
|
145,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
165,00 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
31,35 EUR |
Gesamt |
|
196,35 EUR |
III. Vorbereitendes Verfahren 2/21
1. |
Grundgebühr, VV 4100 |
|
176,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, VV 4104 |
|
145,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
341,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
64,79 EUR |
Gesamt |
|
405,79 EUR |
IV. Erstinstanzliches gerichtliches Verfahren 2/21
1. |
Verfahrensgebühr, VV 4106 |
|
145,00 EUR |
2. |
Terminsgebühr, VV 4108 |
|
242,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
407,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
77,33 EUR |
Gesamt |
|
484,33 EUR |
Rz. 136
Bei einer Verbindung im Berufungsverfahren gilt Abs. 6 S. 2. Die Erstreckung wirkt jetzt nur auf die Rechtsmittelinstanz zurück. Auf Abs. 6 S. 3 kommt es in diesem Fall wiederum nicht an.
Beispiel: Wie vorangegangenes Beispiel; jedoch wird der Angeklagte vom Amtsgericht in beiden Verfahren gesondert verurteilt. Im Berufungsverfahren werden die beiden Berufungen vor der Hauptverhandlung miteinander verbunden und der Anwalt als Pflichtverteidiger bestellt. Anschließend wird die Hauptverhandlung durchgeführt.
Jetzt gilt Abs. 6 S. 2. Der Anwalt kann sämtliche Gebühren beider Berufungsverfahren aus der Landeskasse verlangen. Die Vergütung für die erste Instanz und das vorbereitende Verfahren erhält er dagegen nicht aus der Landeskasse.
I. Berufungsverfahren 1/21
1. |
Verfahrensgebühr, VV 4124 |
|
282,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
302,00 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
57,38 EUR |
Gesamt |
|
359,38 EUR |
II. Berufungsverfahren 2/21
1. |
Verfahrensgebühr, VV 4124 |
|
282,00 EUR |
2. |
Terminsgebühr, VV 4126 |
|
282,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
584,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
110,96 EUR |
Gesamt |
|
694,96 EUR |
Rz. 137
Zu beachten ist auch hier, dass nur ein früherer Zeitpunkt der Bestellung oder Beiordnung fingiert wird. Die Vergütung des Anwalts muss dagegen entstanden sein. Sie wird nicht fingiert.