Peter Fölsch, Norbert Schneider
I. Beschlusslage prüfen
1. Bindungswirkung von Beiordnung und Bestellung
Rz. 165
In einem Verfahren, wo sich die Tätigkeit des hierfür beigeordneten oder bestellten Anwalts auf den Verfahrensgegenstand beschränkt und nur die Regelgebühren anfallen, ergeben sich in der Regel keine Abrechnungsprobleme infolge zweifelhafter Rechtsgrundlage für einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse. Soll jedoch die Vertretung der Partei über diesen Rahmen hinausgehen, liegt es im eigenen Gebühreninteresse des Anwalts, sein Augenmerk zunächst auch darauf zu richten, ob die insoweit erforderlichen Voraussetzungen für eine Abrechnung gegenüber der Staatskasse gegeben sind oder erst noch geschaffen werden müssen. Kommt es für ihn am Schluss des Verfahrens bei der Festsetzung nach § 55 zu Schwierigkeiten, weil der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Beschlusslage des erkennenden Gerichts zur Bewilligung oder Beiordnung oder Bestellung als nicht hinreichend ansieht, ist eine nachträgliche Klärung in seinem Sinne selten durchführbar. Denn die vom Gericht beigeordnete Beiordnung oder Bestellung ist für den Urkundsbeamten im Festsetzungsverfahren gem. § 55 stets bindend.
2. Beiordnung und Bestellung beantragen
Rz. 166
Die Absetzung von Gebühren mit der Begründung, die zugrunde liegenden Leistungen würden von der Beiordnung oder Bestellung nicht umfasst, beruht häufig nur darauf, dass der Anwalt die notwendige Antragstellung unterlassen hat. Wäre der Antrag gestellt worden, hätte das Gericht aller Voraussicht nach antragsgemäß entschieden, während eine nachträgliche Bescheidung aus Rechtsgründen nicht in Betracht kommt. Um diese Fehlerquelle auszuschließen, sind dem beigeordneten Anwalt zwei Merkpunkte zu raten: Er sollte stets an seine Gebühren denken, wenn das Verfahren entweder durch Vergleich abgeschlossen oder aber mit neuem Inhalt fortgesetzt werden soll.
II. Erledigung durch Vergleich
1. Erstreckung der Beiordnung
Rz. 167
Verhält sich ein Vergleich nur über streitgegenständliche Ansprüche, so steht dem insoweit im Verfahren beigeordneten Anwalt die Vergütungsfestsetzung der Gebühr nach VV 1003 zu. Dies gilt auch dann, wenn die Einigung außergerichtlich getroffen wurde (vgl. Rdn 29 f.).
Rz. 168
Soll in einem Verfahren, für das Prozesskostenhilfe bewilligt und der Anwalt beigeordnet worden ist, ein außergerichtlicher Vergleich geschlossen werden, kann der Anwalt zwar in vielen Fällen davon ausgehen, dass die Staatskasse seine Gebühr nach VV 1003 trägt (siehe Rdn 29 f.). Das ist aber keineswegs sicher, weshalb er vorab bei dem erkennenden Gericht den Antrag stellen sollte, seine Beiordnung auf den beabsichtigten Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs zu erstrecken. Ein solcher Beschluss hat womöglich nur deklaratorischen Charakter, ist aber für die Kostenfestsetzungsorgane stets bindend. Erstreckt sich die Beiordnung auf den Abschluss eines Vertrags i.S.v. VV 1000 oder ist die Beiordnung oder die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hierauf beschränkt, so umfasst der Anspruch gegen die Staatskasse nach dem durch das KostRÄG 2021 eingefügten Abs. 1 S. 2 überdies alle gesetzlichen Gebühren (Differenz-Verfahrensgebühr VV 3101 und Differenz-Terminsgebühr VV 3104) und Auslagen, die durch die Tätigkeiten entstehen, die zur Herbeiführung der Einigung erforderlich sind.
2. Prozesskostenbewilligungsverfahren
Rz. 169
Wird ein Vergleich im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren (Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren) geschlossen, so gilt Folgendes: Für das Prüfungsverfahren selbst kann grundsätzlich keine PKH/VKH bewilligt werden. Schließen die Parteien/Beteiligten dort einen Vergleich, so ist m.E. bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen ausnahmsweise Prozesskostenhilfe für das gesamte Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren zu bewilligen. Dann ist dem beigeordneten Rechtsanwalt aus der Staatskasse eine 1,0-Verfahrensgebühr (VV 3335), eine 1,2-Terminsgebühr (VV 3104) sowie eine 1,0-Einigungsgebühr (VV 1003) zuzüglich Auslagen zu vergüten.
Rz. 170
Diese Auffassung wird hingegen vom BGH nicht geteilt. Er hat die umstrittene Frage des Umfangs einer möglichen Prozesskostenhilfe im PKH-Verfahren dahin entschieden, dass Prozesskostenhilfe nur für einen Vergleich, nicht aber für das gesamte PKH-Verfahren bewilligt werden dürfe. Diese Beschränkung hat bewirkt, dass der Anwalt die Verfahrensgebühr nach VV 3335 bzw. 3337 oder die Terminsgebühr VV 3104 alsdann von der Partei einfordern kann, weil die Sperre des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO mangels umfassender Bewilligung von PKH nicht greift. Außerdem kann der Anwalt g...