I. Einheitliches Gebührenmodell im Kostenrecht

1. Wertbezogene Vergütung

 

Rz. 4

Die Höhe der Gebühren des beigeordneten oder bestellten Anwalts nach der Gebührentabelle des § 49 richtet sich ebenso wie die Gebühren nach der Wahlanwaltsgebührentabelle (§ 13) nach einem Gegenstandswert des Verfahrens, nicht hingegen nach dem tatsächlichen Arbeitsaufwand. Diese Methode vernachlässigt zwar die Einzelfallgerechtigkeit, hat sich aber bislang halten können und ist durch das 1., 2. KostRMoG und KostRÄG 2021 erneut bestätigt worden, weil Abrechnungsklarheit und Kostensicherheit für sie sprechen. Ob sie allerdings die Kodifikationsbestrebungen auf europäischer Ebene überstehen wird, erscheint offen, weil in vielen Mitgliedsländern die Abrechnung von Anwaltsleistungen nach Aufwand erfolgt.

2. Degressive Gebührentabelle

 

Rz. 5

Um allzu große Divergenzen zwischen Arbeitsleistung und Entgelt zu vermeiden, steigen die Gebühren nicht linear, sondern nur in stetig abnehmenden Schritten (degressiv) an. Hierzu bedarf es der Festlegung eines entsprechenden Abhängigkeitsverhältnisses zwischen Gebühr und Gegenstandswert. Der Gesetzgeber hat sich für eine stufenweise Verminderung des Zuwachses[9] der Gebühren entschieden und diese jeweils tabellarisch aufgelistet (vgl. §§ 13 Abs. 1 S. 2, 49). Die Abstufung erfolgt einerseits durch eine stufenweise Vergrößerung der einzelnen Schritte, bevor sich die Gebühr durch Anhebung ändert, und zum anderen durch die unterschiedliche Festlegung der Beträge, um die sich die Gebühr erhöht.

 

Rz. 6

Die vorliegende Tabelle hat bei Werten über 4.000 EUR eine stärkere Degression als die Tabelle in § 13 Abs. 1 S. 2. Zwar behält sie die Abstufungsschritte bis einschließlich 50.000 EUR (bis 31.12.2020: 30.000 EUR) bei. Jedoch weichen die jeweiligen Unterschiedsbeträge zwischen den einzelnen Gebührenstufen deutlich voneinander ab, indem sie hier niedriger ausfallen.

Die Unterschiedsbeträge zwischen den einzelnen Gebührenstufe der Tabelle nach § 49 belaufen sich auf

11 EUR (bis 31.12.2020: 10 EUR) bei einem Gegenstandswert über 4.000 EUR
15 EUR (bis 31.12.2020: 14 EUR) bei einem Gegenstandswert über 10.000 EUR
39 EUR (bis 31.12.2020: 35 EUR) bei einem Gegenstandswert über 25.000 EUR bis zur Stufe von 50.000 EUR
50 EUR bei einem Gegenstandswert über 50.000 EUR.

Bei der Gebührentabelle eines Wahlanwalts (§ 13) betragen die Unterschiedsbeträge von anfänglich 39 EUR (bis 31.12.2020: 35 EUR) bis letztendlich 165 EUR (bis 31.12.2020: 150 EUR).

[9] Die alternative Methode ist eine kontinuierliche Degression, die jeweils mit Hilfe einer mathematischen Formel berechnet werden müsste.

3. Gebühren

 

Rz. 7

Die Beträge der Tabelle des § 13, an die § 49 anknüpft, gehen davon aus, dass sich der jeweilige Gebührensatz auf 1,0 beläuft.

 

Rz. 8

Dieses Prinzip wird von § 49 nicht durchbrochen, sondern findet auch dort Anwendung, wo "anstelle der Gebühr nach § 13 Abs. 1" jeweils nur eine reduzierte Gebühr vorgesehen ist. Die tabellarischen Beträge in § 49 geben nur die Gebühr an, wenn sich der jeweilige Gebührensatz auf 1,0 beläuft. Haben die Gebühren andere Sätze, dienen die tabellarischen Beträge lediglich als Basisgröße, mit denen dann der jeweilige Gebührensatz zu multiplizieren ist.

 

Beispiele: Die Verfahrensgebühr des beigeordneten Revisionsanwalts (VV 3208) beträgt bei einem Streitwert von 22.000 EUR 2,3 von 399 EUR, also netto 917,70 EUR; die Einigungsgebühr des erstinstanzlichen Anwalts für einen außergerichtlichen Vergleich (VV 1000) beläuft sich bei einem Gegenstandswert von 6.000 EUR auf 1,5 von 295 EUR, mithin auf netto 442,50 EUR. Der Berufungsanwalt erhält bei einem Streitwert von 9.000 EUR eine Termingebühr (VV 3202) von netto 393,60 EUR (1,2 von 328 EUR).

II. Die dreistufige Gebührenstaffel

1. Volle Gebühren der ersten Stufe (bis 4.000 EUR)

 

Rz. 9

Bis zu einem Gegenstandswert von 4.000 EUR wirkt sich die Beiordnung oder Bestellung für den Anwalt in der Regel nicht nachteilig, häufig aber vorteilhaft aus. Eine finanzielle Einbuße braucht er nicht hinzunehmen, weil die Staatskasse in Höhe der vollen Regelvergütung für seine Entlohnung einsteht. Mit der Staatskasse hat er eine verlässliche Schuldnerin und das Vertrauensverhältnis zu der Partei bleibt frei von etwaigen Abrechnungsproblemen. Der Anwalt kann unbelastet von eigenen Gebühreninteressen das Bestreben der Partei unterstützen, Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung zu erhalten, da er auf Zahlungen der Partei an die Staatskasse nicht zurückgreifen muss, um seine volle Vergütung zu erreichen (siehe § 50 Rdn 2).

2. Reduzierte Gebühren der zweiten Stufe (mehr als 4.000 EUR bis 50.000 EUR)

 

Rz. 10

Bei Gegenstandswerten von über 4.000 EUR bis einschließlich 50.000 EUR (bis 31.12.2020: 30.000 EUR; siehe dazu auch Rdn 12) greift abweichend von der Gebührentabelle des § 13 die besondere Degression der Tabelle des § 49 ein. Der Anwalt erhält nicht die volle Vergütung eines Wahlanwalts (§ 13), sondern nur eine Vergütung nach der Gebührentabelle des § 49 aus der Staatskasse.

Diese bleibt umso weiter hinter der Vergütung eines Wahlanwalts zurück, je höher der Gegenstandswert ansteigt. Bei einem Gegenstandswert von über 50.000 EUR fällt die 1,0-Gebühr nach der Gebührentabelle des § 49 mit 659 EUR hinter der 1,0-Gebühr eines Wahlanwalts (§ 13) mit 1...

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