1. Aufhebung vergütungsrechtlicher Kondiktionsregeln

 

Rz. 16

Der noch im Referentenentwurf enthaltene Satz 2 a.F., der als Entsprechung von § 4 Abs. 1 S. 3 a.F. den Ausschluss der Kondizierbarkeit bei freiwilliger und vorbehaltloser Leistung des Auftraggebers vorsah, ist im Laufe des späteren Gesetzgebungsverfahrens gestrichen worden.[22] Nach den Motiven des Gesetzgebers war diese Streichung mit Blick auf das weiterhin grundsätzlich geltende Verbot des Erfolgshonorars (siehe § 4a Rdn 3) notwendig. Anderenfalls könnte der Rechtsanwalt unter Umgehung der Schutzvorschriften des § 4a Abs. 1 ein Erfolgshonorar vereinnahmen, wenn der Auftraggeber im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Vereinbarung einen nicht kondizierbaren Vorschuss geleistet habe.[23] Diese Argumentation überzeugt nicht, steht ein Vorschuss doch immer unter dem Vorbehalt der Abrechnung (§ 10 Abs. 2).[24] Vorschusszahlungen können daher ohnehin nach § 812 BGB kondiziert werden, weshalb es auf die Kondiktionsregel des § 4 Abs. 1 S. 3 a.F. gar nicht ankam. Auch in tatsächlicher Hinsicht ist die Neuregelung fehlerhaft. Ein Mandant, dem ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars der Zugang zum Recht verwehrt wäre, ist zu einer Vorschusszahlung regelmäßig nicht in der Lage.[25] Umgekehrt muss der Anwalt mit Blick auf die Streichung dieser Vorschrift nun bis zum Eintritt der Verjährung des Kondiktionsanspruchs Rückzahlungsansprüche seines Auftraggebers fürchten. Erst nach drei Jahren kann er sicher sein, das vereinnahmte Honorar auch behalten zu dürfen (§ 195 BGB).[26] Die Streichung der Kondiktionsregel des § 4 Abs. 1 S. 3 a.F. bedeutet eine nicht hinnehmbare Schlechterstellung des Anwalts, ohne dem Auftraggeber hierdurch einen Vorteil zu verschaffen. Die Reform des Rechts der Vergütungsvereinbarung ist insoweit misslungen. Ungeachtet dessen ist eine Rückforderung der vom Mandanten überzahlten Vergütung seit dem 1.7.2008 auch dann möglich, wenn er freiwillig und ohne Vorbehalt geleistet hat.

[22] Bereits der Regierungsentwurf vom 19.12.2007 sah diese spezielle Kondiktionsregel nicht mehr vor. Zu § 4 Abs. 1 S. 3 a.F. eingehend 4. Aufl. § 4 Rn 72 ff.
[23] BT-Drucks 16/8384, S. 16. So schon die Begründung des Regierungsentwurfs vom 19.12.2007, S. 16.
[24] Schons AnwBl 2008, 172; N. Schneider, Vergütungsvereinbarung Rn 2158; ders., Anm. zu KG AGS 2005, 492; ders., in Hansens/Braun/Schneider, Teil 2 Rn 433.
[25] Zutreffend und mit pointierter Kritik Schons, AnwBl 2008, 172.
[26] Vgl. BGH 19.3.2008 – III ZR 220/07, AGS 2008, 321 zur Rückforderung der vertraglichen Vergütung wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz.

2. Kondiktion nach §§ 812 ff. BGB

 

Rz. 17

Satz 2 lässt die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über die ungerechtfertigte Bereicherung unberührt. Diese Vorschrift ist überflüssig; sie hat lediglich deklaratorischen Charakter. Mit der Einfügung des S. 2 wollte der Gesetzgeber lediglich verdeutlichen, dass seit dem 1.7.2008 die §§ 812 ff. BGB an Stelle der bisherigen vergütungsrechtlichen Kondiktionsregel des § 4 Abs. 1 S. 3 a.F. Anwendung finden[27] (siehe dazu auch § 3a Rdn 127 ff.). Dass nach der neueren Rechtsprechung des BGH die Vereinbarung nicht unwirksam ist, sondern unverbindlich, ist insoweit unerheblich. Der BGH[28] behandelt die Unverbindlichkeit wie einen fehlenden Rechtsgrund.

 

Rz. 18

Der Rückzahlungsanspruch des Auftraggebers ergibt sich regelmäßig aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB). Der bereicherungsrechtliche Leistungsbegriff erfasst jede zurechenbare Mehrung fremden Vermögens, die der Anwalt auf den Mandatsvertrag beziehen darf.[29] Als Leistung gilt zunächst jede Zahlung des Auftraggebers auf das vereinbarte Honorar, aber auch eine sonstige Leistung an Erfüllungs statt oder eine Aufrechnung.[30] Keine Leistung liegt dagegen in der Abgabe eines abstrakten Schuldanerkenntnisses[31] oder der Begebung eines Wechsels.[32]

 

Rz. 19

Die Leistung muss aufgrund und in Erfüllung der Vergütungsvereinbarung erbracht worden sein. Für das Merkmal der Zweckgerichtetheit in § 812 BGB reicht es nicht aus, wenn der Auftraggeber nach § 9 einen Vorschuss auf die gesetzlichen Gebühren gezahlt hat und die Parteien erst später bestimmen, dass der Vorschuss auf ein die gesetzliche Vergütung übersteigendes Honorar zu verrechnen sei.[33] Entsprechendes gilt für einen nicht verbrauchten Gerichtskostenvorschuss.[34] Hier fehlt es an der Zweckbestimmtheit der Leistung; sie kann infolge dessen nicht rückwirkend in eine Vorschusszahlung auf eine später fehlerhaft vereinbarte Vergütungsvereinbarung umgewandelt werden.[35] Ebenso wenig genügt eine Vereinbarung, wonach das (fehlerhaft) vereinbarte Honorar zu "gegebener Zeit" aus Fremdgeldern, die sich auf dem Konto des Anwalts befinden, entnommen werden soll. Auch insoweit fehlt es an einer Leistung i.S.d. § 812 BGB, selbst dann, wenn der Anwalt anschließend absprachegemäß den Honorarbetrag aus den Fremdgeldern entnimmt.[36]

 

Rz. 20

Infolge der Unverbindlichkeit der Vergütungsvereinbarung, soweit die gesetzliche Vergütung überschritten ist, besteht der Kondiktionsanspruch nur in Höhe des die...

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