Peter Fölsch, Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
I. Voraussetzungen der weiteren Vergütung (Abs. 1 S. 1)
1. Zahlungsbestimmung als Anspruchsgrundlage
Rz. 9
Die Verpflichtung der Staatskasse, für eine Entlohnung des beigeordneten Anwalts über die Vergütung nach der Gebührentabelle des § 49 hinaus Sorge zu tragen, ergibt sich aus der konkreten Beiordnung und der dieser zugrunde liegenden Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Die Bewilligung trägt die Beiordnung (vgl. § 48 Rdn 3) auch insoweit, als sie den Umfang der an den Anwalt zu zahlenden Vergütung festlegt. Nur wenn sie eine Zahlungsanordnung zum Gegenstand hat, kommt eine weitere Vergütung des Anwalts in Betracht (vgl. Rdn 2). Ist der Anwalt im Rahmen einer Bewilligung beigeordnet worden, die keine Zahlungsverpflichtung der Partei enthält, muss er sich im Verhältnis zur Staatskasse bei Gegenstandswerten über 4.000 EUR stets mit der Vergütung nach der Gebührentabelle des § 49 zufrieden geben.
Beispiel: Für eine Zahlungsklage über 4.500 EUR wird der Anwalt der Partei in beiden Instanzen jeweils beigeordnet. In der ersten Instanz beruht die Beiordnung auf der Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit einer Monatsrate von 60 EUR, in der zweiten Instanz auf einer solchen ohne Zahlungsbestimmung. In der ersten Instanz entstehen eine 1,3-Verfahrensgebühr (VV 3100) und eine 1,2-Terminsgebühr (VV 3104). In der zweiten Instanz fallen eine 1,6-Verfahrensgebühr (VV 3200) und eine 1,2-Terminsgebühr (VV 3202) an.
Für die erste Instanz kann der Anwalt neben der Vergütung nach der PKH-Gebührentabelle (§ 49) von 2,5 Gebühren à 284 EUR netto (§ 49) auch eine weitere Vergütung bis zur Höhe der vollen Gebühr von 2,5 Gebühren à 333 EUR netto (§ 13) verlangen, soweit die Ratenzahlungen der Partei das hergeben. Für die zweite Instanz steht ihm nur die Vergütung nach der PKH-Gebührentabelle (§ 49) von 2,8 Gebühren à 284 EUR zu. Hinzu kommen jeweils die Auslagen.
2. Offene Forderung aus dem Anwaltvertrag
Rz. 10
Aus der gesetzlichen Konstruktion des Dreiecksverhältnisses Partei – Anwalt – Staat folgt, dass der vertragliche Anspruch des beigeordneten Anwalts gegenüber der Partei unabhängig neben der Verpflichtung der Staatskasse aus der Beiordnung besteht, auf diesen Vergütungsanspruch Leistungen zu erbringen (siehe § 45 Rdn 7). Soweit die Staatskasse zahlt, geht der vertragliche Anspruch des Anwalts auf sie über (siehe § 59 Rdn 6); im Übrigen bleibt er als offene Forderung bestehen, falls er nicht durch Zahlungen Dritter weiter zurückgeführt worden ist. Nicht die "Differenzgebühr" (Unterschiedsbetrag zwischen der gesetzlichen Vergütung und der von der Staatskasse in jedem Fall geschuldeten Vergütung nach der Gebührentabelle des § 49) bestimmt den Gegenstand des Anspruchs nach § 50, sondern der tatsächliche Restbestand des zivilrechtlichen (vertraglichen) Vergütungsanspruchs. Das 2. KostRMoG hat dies durch die neue Formulierung in Abs. 1 S. 1 ausdrücklich klargestellt.
Beispiel: Die Partei hat für eine Zahlungsklage über 50.000 EUR Prozesskostenhilfe mit Ratenzahlungsanordnung erhalten. Sie gewinnt in Höhe von 30.000 EUR und hat einen Kostenerstattungsanspruch von 60 %. Die Staatskasse hat an den beigeordneten Anwalt 1.835,58 EUR gezahlt (2,5 Gebühren zu je 609 EUR zuzüglich 20 EUR Post- und Telekommunikationspauschale zuzüglich 19 % USt). Gem. § 126 ZPO hat der Anwalt vom Gegner 765,77 EUR beigetrieben (60 % der eigenen Gebührenforderung von 3.828,83 EUR abzüglich 40 % Anwaltskosten des Gegners, vgl. § 55 Rdn 192 ff.).
Für die Inanspruchnahme einer weiteren Vergütung aus den Zahlungen der Partei kann der Anwalt noch 1.227,48 EUR ansetzen. Seine volle Vergütung von 3.828,83 EUR (2,5 Gebühren zu je 1.279 EUR zuzüglich 20 EUR Post- und Telekommunikationspauschale zuzüglich 19 % USt) ist um 1.835,58 EUR zurückgeführt worden durch die Vergütung nach der Gebührentabelle des § 49 aus der Staatskasse und um weitere 765,77 EUR durch die Zahlung des Gegners.
3. Eingezogene Beträge übersteigen Kosten der Staatskasse
Rz. 11
Von der Staatskasse eingezogene Beträge sollen zuvorderst dieser selbst zugutekommen. Erst wenn die Ansprüche der Staatskasse auf Regulierung der rückständigen und entstehenden Gerichtskosten, Gerichtsvollzieherkosten und von ihr bezahlten Anwaltskosten (§ 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) sämtlich abgedeckt sind, bilden die weiteren Einnahmen einen Überschuss, auf den der beigeordnete Anwalt zugreifen kann. Vorrangig sind sowohl die Gerichtskosten, für die die Partei als Erstschuldnerin haftet (§§ 29 Nr. 1, 31 Abs. 2 GKG, §§ 24 Nr. 1, 26 Abs. 2 FamGKG), als auch etwaige Zweitschuldnerhaftungen (§§ 22, 31 Abs. 2 GKG, §§ 21 Nr. 1, 26 Abs. 2 FamGKG; vgl. Teil I A Nr. 2.5.1.3 VwV Vergütungsfestsetzung, § 55 Rdn 2). Auf die Art der Zahlungseingänge kommt es nicht an, sondern nur auf ihre Zweckbestimmung. Es kann sich um Zahlungen der Partei aufgrund des PKH-Beschlusses, aber auch um solche des Gegners handeln, die zur Erfüllung des nach § 59 Abs. 1 auf die Staatskasse übergegangenen Anspruchs des beigeordneten Anwalts geleistet worden sind.
Beispiel: Die Partei hat für eine Zahlungsklage über 35.000 EUR Prozesskostenhilfe mit Raten...