1. Antrag
Rz. 44
Steht dem Beschuldigten kein Erstattungsanspruch gegen die Staatskasse zu, muss der Pflichtverteidiger die gerichtliche Feststellung der Leistungsfähigkeit des Beschuldigten erreichen, will er diesen nach Abs. 1 S. 1 in Anspruch nehmen. Das Verfahren hierzu ist in Abs. 2 geregelt. Erforderlich ist zunächst ein Antrag des Rechtsanwalts, die Zahlungsfähigkeit des Beschuldigten feststellen zu lassen.
Rz. 45
Der Antrag kann unbeziffert sein. Die Gegenansicht von Schmahl, der Anwalt müsse seine Gebühren substantiiert berechnen und darlegen, findet im Gesetz keine Stütze. Das Gericht hat im Rahmen des Verfahrens über die Feststellung der Leistungsfähigkeit nicht die Höhe der Vergütung zu prüfen, sondern nur, in welcher Höhe der Beschuldigte überhaupt leistungsfähig ist. Es ist keinesfalls erforderlich, dass der Pflichtverteidiger bereits jetzt schon seine Gebühren berechnet und diese Berechnung vorlegt. Volpert empfiehlt allerdings die Bezifferung.
Rz. 46
Ungeachtet dessen kann der Anwalt seinen Antrag aber auch dahin gehend einschränken, dass er die Feststellung begehrt, der Beschuldigte sei in Höhe eines bestimmten Betrages leistungsfähig.
2. Frist
Rz. 47
Der Antrag auf Feststellung der Leistungsfähigkeit ist nicht fristgebunden. Im Hinblick auf die ab Rechtskraft der Hauptsache laufende Verjährung der Vergütung sollte der Antrag so zeitig gestellt werden, dass die Verjährung noch nicht abgelaufen ist und der Anspruch noch durchgesetzt werden kann.
Rz. 48
Der Antrag kann jedoch nicht vor Fälligkeit der Vergütung (§ 8 Abs. 1) gestellt werden.
Rz. 49
Der vorherigen Mitteilung einer Berechnung nach § 10 bedarf es dagegen nicht, zumal bis zur Entscheidung des Gerichts ohnehin keine Zahlungspflicht des Vertretenen besteht.
3. Rechtsschutzbedürfnis
Rz. 50
Ein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag fehlt, soweit der Beschuldigte freigesprochen worden ist und der Pflichtverteidiger den Beschuldigten ohnehin nach Abs. 2 S. 1, 1. Alt. in Anspruch nehmen kann. Eine Feststellung der Leistungsfähigkeit durch das Gericht wäre in diesem Fall überflüssig.
Rz. 51
Der Antrag ist dagegen auch dann zulässig, wenn der Anwalt vom Beschuldigten unmittelbar die Wahlanwaltsgebühren verlangen kann, etwa aus einem vorangegangenen Wahlanwaltsvertrag. Die gegenteilige Ansicht berücksichtigt nicht, dass beide Ansprüche unabhängig voneinander bestehen und der unmittelbare Anspruch auf die Wahlgebühren z.B. viel früher verjährt (siehe Rdn 35 ff.).
Rz. 52
Eine Feststellung ist auch dann zu treffen, wenn die Ansprüche nach Abs. 1 S. 1 verjährt sind. Abgesehen davon, dass das Strafgericht nicht dafür zuständig ist, über die Frage der Verjährung zu entscheiden, ist es Sache des Beschuldigten, ob er sich später überhaupt auf den Eintritt der Verjährung beruft.
4. Zuständigkeit
Rz. 53
Zuständig für die Feststellung der Leistungsfähigkeit ist das Gericht des ersten Rechtszugs (Abs. 2 S. 1). Dieses Gericht entscheidet über die Leistungsfähigkeit hinsichtlich sämtlicher Ansprüche, auch soweit diese aus höheren Instanzen resultieren, und zwar auch dann, wenn das höhere Gericht den Anwalt bestellt hat.
Rz. 54
Bei Abgabe oder Verweisung ist das Gericht zuständig, an das abgegeben oder verwiesen worden ist.
Rz. 55
Ist das Verfahren nicht gerichtlich anhängig geworden, so entscheidet dasjenige Gericht, das den Verteidiger bestellt hat (Abs. 2 S. 2). Dies wird insbesondere in Betracht kommen, wenn bereits im vorbereitenden Verfahren ein Pflichtverteidiger bestellt wurde und es nicht mehr zur Anklageerhebung gekommen ist.
5. Rechtliches Gehör
Rz. 56
Dass dem Beschuldigten in dem Verfahren auf Feststellung rechtliches Gehör zu gewähren ist, ist an sich eine Selbstverständlichkeit, wird aber in Abs. 3 S. 1 nochmals ausdrücklich vorgeschrieben. Eine Pflicht des Beschuldigten, seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu offenbaren, besteht nicht. Das Gesetz ordnet jetzt jedoch insoweit eine Obliegenheit an. Während das Gericht bislang aus einer grundlosen Weigerung lediglich die entsprechenden Schlüsse ziehen konnte, ist jetzt Folgendes vorgesehen:
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Das Gericht fordert den Beschuldigten auf, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse darzulegen; |
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gleichzeitig setzt das Gericht hierzu eine Frist. |
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Der Beschuldigte muss nunmehr in einer dem § 117 Abs. 2 bis 4 ZPO entsprechenden Weise (Abs. 3 S. 1, 2. Hs.) seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse darlegen. |
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Gibt der Beschuldigte keine ordnungsgemäße Erklärung ab, so wird gesetzlich ver... |