Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
Rz. 202
Soweit die Ansprüche kollidieren, wird aus § 126 Abs. 2 ZPO eine umfassende Abwägung der beteiligten Interessen hergeleitet, die in ihrer Tragweite nicht ohne Weiteres ersichtlich ist und im Wesentlichen durch Richterrecht konkretisiert wurde. Danach ergibt sich folgendes Bild:
Rz. 203
a) Der Anspruch des beigeordneten Anwalts ist gegen Verfügungen durch die ebenfalls anspruchsberechtigte Partei und vor Erfüllungshandlungen zu deren Gunsten grundsätzlich bestandsgeschützt. Dieser Schutz durch die so genannte Verstrickung des Erstattungsanspruchs der Partei geht erst verloren, wenn eine Festsetzung zugunsten der Partei erfolgt ist, ohne dass ein Gesuch des Anwalts vorgelegen hat. Reicht der Anwalt sein Gesuch nachträglich ein, so lebt die Verstrickung zwar wieder auf; er muss jedoch zwischenzeitliche Erfüllungshandlungen, welche der Partei gegenüber eingewandt werden konnten, auch gegen sich gelten lassen. Im Umfang seines Anspruchs verliert die Partei das Recht, aus dem zu ihren Gunsten ergangenen Beschluss zu vollstrecken.
Beispiel: Der Gegner ist voll kostentragungspflichtig. Die Partei meldet alle Ansprüche mit 2.200 EUR an und erhält einen antragsgemäßen Kostenfestsetzungsbeschluss. Der Gegner rechnet nunmehr mit Mietzinsforderungen in Höhe von 1.000 EUR auf. Hinsichtlich des Restbetrages vereinbaren die Parteien Stundung. Sodann meldet der beigeordnete Anwalt seine Gebühren mit 1.400 EUR an.
Die Aufrechnung ist trotz § 126 Abs. 2 S. 1 ZPO wirksam, weil der Gegner die Möglichkeit haben muss, den Titel der Partei durch Erfüllung zu Fall zu bringen. Die Stundungsabrede wirkt nur gegenüber der Partei und kann dem Anwalt nicht entgegengehalten werden. Inwieweit die Aufrechnung speziell den Anspruch des Anwalts erfasst, ist Tatfrage und vom Gegner darzulegen. Im Zweifel sind zugunsten des Anwalts die verbleibenden 1.200 EUR festzusetzen. Dieser Beschluss tritt neben den Beschluss zugunsten der Partei, ist aber einredefrei durchsetzbar (zur Frage, ob er bei voller Einstandspflicht der Staatskasse diese auf den Restbetrag von 200 EUR in Anspruch nehmen kann, siehe § 45 Rdn 55 f.).
Rz. 204
b) Der Anwalt braucht nach § 126 Abs. 2 S. 2 ZPO nur eine Aufrechnung mit Prozesskosten des Gegners hinzunehmen, jedoch keine Kostenausgleichung nach § 106 ZPO. Ob und inwieweit der Gegner mit Prozesskosten speziell dem Anwalt gegenüber aufrechnen will, liegt allerdings in seinem Belieben. Er hat die Wahl, seinen Erstattungsanspruch entweder gegenüber der Partei im Wege der Ausgleichung geltend zu machen, soweit dieser durchsetzbare Ansprüche neben ihrem Anwalt zustehen (siehe Rdn 195), oder aber mit seinem Anspruch gegen ein Beitreibungsrecht des Anwalts aufzurechnen. Allein durch seine Erklärung bestimmt er, welcher Teil seiner Kostenschuld durch Einsatz des eigenen Erstattungsanspruch erlöschen soll (vgl. § 396 BGB). Einer ausdrücklichen Festlegung bedarf es insoweit nicht. Im Zweifel ergibt sich sein Wille aus den Umständen. Meldet er etwa auf einen Festsetzungsantrag des beigeordneten Anwalts seine eigenen Kosten "zur Ausgleichung" an, so ist davon auszugehen, dass er dem Anspruch des Anwalts alles entgegensetzen will, was nach § 126 Abs. 2 ZPO möglich ist. Hat er schon gegenüber einem Kostenfestsetzungsantrag der Partei seine Kosten zur Ausgleichung angemeldet, hindert das die spätere Aufrechnung gem. § 126 Abs. 2 ZPO nicht, weil die Anmeldung als solche keine rechtsgestaltende Wirkung hat.