Peter Fölsch, Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
a) Wahlrecht der Staatskasse: Partei und/oder erstattungspflichtiger Gegner
Rz. 13
Besteht neben dem Vergütungsanspruch des Anwalts gegen die Partei auch ein Beitreibungsrecht nach § 126 ZPO gegen den erstattungspflichtigen Gegner, so gehen beide Forderungen gleichermaßen und nebeneinander jeweils bis zu derselben Höhe auf die Staatskasse über, wie diese den Anwalt (ohne Deckung) befriedigt. Sie kann beide Forderungen (alternativ oder kumulativ) im jeweils gegebenen Rahmen wahlweise geltend machen. Weder ist sie gehalten, einen dieser Ansprüche vorrangig zu verfolgen, noch bewirkt die Auswahl des einen den Verlust des anderen.
b) Gesamtschuldnerische Haftung
Rz. 14
Nach den Grundsätzen des gesetzlichen Forderungsübergangs hat allerdings die erfolgreiche Durchsetzung eines der Ansprüche zur Folge, dass die Staatskasse den anderen wieder verliert, soweit dieser dem Betrag nach die verbleibende Deckungslücke – d.h. ihre noch ungedeckten Zahlungen an den Anwalt – übersteigt. Die Partei und der erstattungspflichtige Gegner sind also hinsichtlich des Rückgriffs der Staatskasse gesamtverpflichtet; sie haften ihr wie Gesamtschuldner.
Beispiel: Der Partei wurde Prozesskostenhilfe mit Monatsraten von 30 EUR bewilligt. Die Staatskasse hat an den Anwalt schon vor Eingang der ersten Rate einen Vorschuss von 600 EUR ausbezahlt (§ 47). Es ergeht eine Kostenentscheidung, wonach der Gegner erstattungspflichtig ist. Bis dahin sind von dem Vorschuss durch zwischenzeitlich eingegangene Raten 390 EUR gedeckt. Bevor der Rechtspfleger die Ratenzahlungen aussetzt (§ 120 Abs. 3 Nr. 2 ZPO), gehen zwei weitere Raten zu je 30 EUR ein.
Mit Auszahlung des Vorschusses ging der zu diesem Zeitpunkt allein bestehende Vergütungsanspruch des Anwalts gegen die Partei in Höhe des Auszahlungsbetrages von 600 EUR auf die Staatskasse über. Bei Erlass der Kostenentscheidung belief sich der übergegangene Anspruch infolge anzurechnender Zahlungen nur noch auf 210 EUR. Das nunmehr entstandene Beitreibungsrecht des Anwalts ging alsdann ebenfalls auf die Staatskasse über, allerdings nur noch in Höhe des nicht gedeckten Betrages von 210 EUR. Durch die weiteren Rateneingänge von 60 EUR hat die Staatskasse dieses Recht aber in gleicher Höhe wieder verloren.
c) Kein erneuter Forderungsübergang
Rz. 15
Zum Schicksal des Anspruchs, den die Staatskasse infolge Erfüllung des anderen Anspruchs (teilweise) wieder verliert, trifft das Gesetz keine Regelung. Ein (neuerlicher) Forderungsübergang auf den jeweils Leistenden entsprechend § 426 Abs. 2 BGB kommt nicht in Betracht. Hat der erstattungspflichtige Gegner gezahlt, scheidet eine Ausgleichung im Verhältnis zur bedürftigen Partei aus, weil er letztendlich die Kosten tragen soll. Hat die bedürftige Partei gezahlt, so bedarf es keiner Ausgleichungsregelung, weil sie ohnehin ein Kostenfestsetzungsverfahren gegen den Gegner betreiben kann.
Variante: Der Gegner zahlt freiwillig auf den im Kostenfestsetzungsbeschluss nach § 126 ZPO vermerkten Betrag von 210 EUR an den Gerichtsvollzieher 100 EUR.
Das vom Anwalt auf die Staatskasse übergegangene Beitreibungsrecht ist i.H.v. 100 EUR erloschen, nachdem es infolge der beiden zwischenzeitlich eingegangenen Raten nur noch i.H.v. 150 EUR bestanden hatte. Erloschen ist ebenfalls der auf die Staatskasse übergegangene Vergütungsanspruch des Anwalts gegen die Partei in gleicher Höhe, so dass der Staatskasse nur noch ein Restbetrag von 50 EUR zusteht.
Zwar könnte im Einzelfall der beigeordnete Anwalt ein Interesse daran haben, dass sein Beitreibungsrecht wieder an ihn zurückfällt, falls dieses bei Kostenquotelung seinen Vergütungsanspruch gegen die Partei nicht vollständig abgedeckt hat und soweit der übergegangene Anspruch die verbliebene Sicherungslücke schließen würde. Jedoch bedürfte ein Rückfall der Forderung kraft Gesetzes einer solchen Regelung, die hier nicht vorgesehen ist. Die Praxis behilft sich insoweit damit, den Abs. 1 S. 2 zugunsten des Anwalts extensiv auszulegen (vgl. Rdn 28).