I. Der Gegner haftet in voller Höhe

 

Rz. 47

Bei voller Kostentragungspflicht des Gegners macht die Berechnung des Beitreibungsrechts nach § 126 ZPO und eines Forderungsübergangs nach § 59 – von dem Sonderfall der Vorsteuerabzugsberechtigung der bedürftigen Partei einmal abgesehen (vgl. Rdn 29, § 55 Rdn 209 ff.) – keine Schwierigkeiten, weil der Erstattungsanspruch gegen den Gegner auf die volle Vergütung des Anwalts geht und eine Konkurrenz zur Staatskasse infolge teilweisen Übergangs nur bei der Vollstreckung besteht.

II. Der Gegner haftet nur mit einer Quote (§ 106 ZPO)

1. Nur der Anwalt macht den Erstattungsanspruch gem. § 126 ZPO geltend

 

Rz. 48

Hingegen stellt sich bei einer Kostenverteilung nach Quoten schon das Problem der Anspruchszuordnung (siehe Rdn 28); beigeordnete Anwälte können einerseits nur "ihre Gebühren und Auslagen" (§ 126 Abs. 1 ZPO) anmelden, die von einem hierauf beschränkten Teilerstattungsanspruch ohnehin nicht voll abgedeckt werden, und zum anderen müssen sie eine Aufrechnung des Gegners mit seinem Teilerstattungsanspruch hinnehmen (§ 126 Abs. 2 ZPO).

 

Beispiel: Die Partei hat ratenfreie Prozesskostenhilfe und soll 1/3 der Kosten tragen, während der Gegner 2/3 trägt. Die Staatskasse hat die Vergütung nach der Gebührentabelle des § 49 von 720 EUR an den beigeordneten Anwalt gezahlt. Dieser meldet 960 EUR zur Festsetzung an. Der Gegner hat erstattungsfähige Kosten von 1.680 EUR (950 EUR Anwaltskosten und 730 EUR Parteiauslagen).

 
Gebühren des beigeordneten Anwalts als Wahlanwalt (§ 13) 960 EUR
Davon hat der Gegner zu tragen (2/3) 640 EUR
Der Gegner kann aufrechnen mit Prozesskosten von 1.680 zu 1/3 560 EUR
Es verbleibt ein Beitreibungsrecht von (Differenz) 80 EUR
Aus der Staatskasse hat der Anwalt erhalten 720 EUR
Die Summe von 800 EUR
ist geringer als der volle Vergütungsanspruch von 960 EUR

Damit darf der Anwalt das Beitreibungsrecht auch nach Zahlung der Vergütung nach der Gebührentabelle des § 49 weiterhin für sich beanspruchen, weil ein Forderungsübergang zwar eingetreten, aber für die Staatskasse nicht durchsetzbar ist (Vorrang gem. Abs. 1 S. 2, vgl. Rdn 28). Die Einziehungsbefugnis verbleibt bei dem Anwalt.

2. Anwalt und Partei machen den Erstattungsanspruch geltend

 

Rz. 49

Macht neben dem Anwalt (§ 126 ZPO) auch die Partei selbst (§§ 103 ff. ZPO) einen Erstattungsanspruch geltend (vgl. § 55 Rdn 201 ff.) – sie werden dadurch nicht zu Gesamtgläubigern gem. § 428 BGB –,[51] tritt die weitere Fragestellung hinzu, ob und inwieweit dem Anwalt gegenüber aufgerechnet (§ 126 Abs. 2 ZPO)[52] oder der Partei gegenüber die Kostenausgleichung (§ 106 ZPO) betrieben wird. Beide Möglichkeiten unterliegen der Dispositionsbefugnis des Gegners und können daher wahlweise (alternativ oder kumulativ) Anwendung finden.

 

Variante 1: Die Partei stellt i.H.v. 1.830 EUR gem. §§ 103 ff., 106 ZPO Kostenausgleichungsantrag. Darin sind die Gebühren eines Wahlanwalts (§ 13) für den beigeordneten Anwalt, der diese ebenfalls angemeldet hat, mit 960 EUR enthalten. Die restlichen 870 EUR betreffen erstattungsfähige Reise- und Gutachterkosten. Der Gegner wendet sich nur gegen das Festsetzungsgesuch des Anwalts mit der Begründung, dass er seinen Erstattungsanspruch gegen rechne.

Für den Anwalt verbleibt es bei der Ausgangsberechnung, da die Erklärung des Gegners als Ausübung der Aufrechnungsbefugnis nach § 126 Abs. 2 ZPO auszulegen ist. Die Partei kann angesichts der Verstrickung ihres weiter gehenden Erstattungsanspruchs nur eine Festsetzung ihrer Auslagen erwirken, erhält insoweit aber mit 580 EUR die volle Quote (2/3 von 870 EUR), weil eine Kostenausgleichung ausscheidet.

 

Rz. 50

Trifft der Gegner keinerlei Bestimmung, wie sein Erstattungsanspruch eingesetzt werden soll, könnte eine entsprechende Anwendung des § 366 Abs. 2 BGB interessengerecht sein. Ob eine Zuordnung nach unterschiedlicher Lästigkeit der Erstattungsforderungen einerseits der Partei und zum anderen des Anwalts bzw. der Staatskasse den Umständen nach in Betracht kommen kann, erscheint zweifelhaft. Praxisgerecht dürfte eher eine verhältnismäßige Aufteilung des Gegenanspruchs gemäß der letztgenannten Auffangregelung des § 366 Abs. 2 BGB sein.

 

Variante 2: Der Gegner meldet seine Kosten "zwecks Ausgleichung" an und lässt eine Anfrage, ob er eine bestimmte Verrechnung wünsche, unbeantwortet.

Der Anteil der beitreibungsfähigen Kosten von 960 EUR an den gesamten erstattungsfähigen Kosten der Partei von 1.830 EUR beträgt 52 %. Mithin braucht sich der Anwalt an aufrechenbaren Kosten des Gegners nur 52 % von dessen erstattungsfähigen Kosten (560 EUR) = 291,20 EUR entgegenhalten zu lassen. Die Partei muss eine Ausgleichung von 48 % dieser Kosten = 268,80 EUR hinnehmen, so dass ihr 311,20 EUR (580 EUR – 268,80 EUR) verbleiben. Die Abrechnung nach § 59 ändert sich wie folgt:

 
Gebühren des beigeordneten Anwalts als Wahlanwalt (§ 13) 960,00 EUR
Davon hat der Gegner zu tragen (2/3) 640,00 EUR
Aufrechnen kann der Gegner mit 52 % von 560 EUR (= 1/3 von 1.680) 291,20 EUR
Es verbleibt ein Beitreibungsrecht von (Differenz) 348,80 EUR
Aus der Staatskasse hat der Anwalt erhalten 720,00 EUR
Die Summe von 1.068,80 EUR
übersteigt die Gebühren eines Wahlanwalts (§ 13) von 960,00 EUR
um die Differenz von 10...

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