I. Anwendungsbereich
Rz. 5
Die Vorschrift gilt für alle Rechtsanwälte, soweit sie nach dem RVG abrechnen. Sie gilt darüber hinaus auch dann, wenn einem Rechtsanwalt und einem Rechtsbeistand ein gemeinschaftlicher Auftrag erteilt worden ist oder wenn gemeinschaftlich mehrere Rechtsbeistände beauftragt werden.
Rz. 6
Die Vorschrift gilt für alle Gebührentatbestände, unabhängig von der Art der jeweiligen anwaltlichen Tätigkeit, also in Zivilsachen, Strafsachen, Verwaltungssachen etc.
II. Mehrere Anwaltsverträge gleichen Inhalts
Rz. 7
Voraussetzung ist, dass mehrere selbstständige Anwaltsverträge geschlossen worden sind. Der Mandant muss also jedem Anwalt einen eigenen selbstständigen Auftrag erteilt haben. Die Aufträge müssen dabei nicht zeitgleich erteilt worden sein. Sie können auch sukzessive erteilt werden.
Beispiel: Im Verlaufe des Strafprozesses beauftragt der Angeklagte einen weiteren Verteidiger.
Beiden Anwälten steht die volle Vergütung nach VV 4100 ff. zu.
Rz. 8
Darüber hinaus müssen die verschiedenen Aufträge die gleiche Tätigkeit zum Inhalt haben und denselben Gegenstand betreffen.
Rz. 9
Daher ist es nicht ausreichend, wenn einer der beauftragten Anwälte nur mit Einzeltätigkeiten beauftragt ist, die nach anderen Vorschriften zu vergüten sind, etwa wenn neben dem Prozessbevollmächtigten ein Verkehrsanwalt oder ein Terminsvertreter beauftragt wird oder wenn ein anderer Anwalt begleitend zur Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten den Mandanten beraten soll.
Rz. 10
Unerheblich ist es dagegen, wenn unter den verschiedenen Anwälten eine gewisse Arbeitsteilung vereinbart ist oder wenn der Schwerpunkt der anwaltlichen Tätigkeit jeweils anders gelagert ist.
Beispiel: In einem umfangreichen Schadensersatzprozess beauftragt der Mandant neben seinem "Hausanwalt" einen Spezialisten, der sich vorwiegend um die steuerlichen Aspekte kümmern soll.
Rz. 11
Eine solche Arbeitsteilung steht der Anwendung des § 6 nicht entgegen. Beide Anwälte sind als Prozessbevollmächtigte bestellt und insoweit für die gesamte Prozessführung verantwortlich. Die Aufgabenverteilung im Innenverhältnis hat weder Einfluss auf den Gebührentatbestand noch auf die Höhe der Gebühren.
III. Höhe der Vergütung
Rz. 12
Sind mehrere Anwälte gemeinschaftlich beauftragt, so steht jedem die volle Vergütung zu. Der Wortlaut der Vorschrift ist allerdings in mehrfacher Hinsicht missverständlich. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, klarzustellen, dass durch das gemeinschaftliche Tätigwerden mehrerer Anwälte in derselben Sache die anfallenden Gebühren nicht etwa auf die beteiligten Anwälte verteilt werden, etwa dergestalt, dass bei zwei Anwälten jeder nur die Hälfte der Gebühren verlangen kann oder dass Gesamtgläubigerschaft hinsichtlich der Gebühren besteht. Vielmehr soll jedem Anwalt ein eigener Gebührenanspruch auf die volle Vergütung zustehen. Voraussetzung ist allerdings, dass seine Tätigkeit die entsprechenden Gebührentatbestände auch selbst ausgelöst hat. Nach dieser Vorschrift werden also Tätigkeiten des einen Anwalts dem anderen – im Gegensatz zu den Fällen des § 5 – nicht zugerechnet.
Beispiel: In einem Rechtsstreit beauftragt der Mandant zwei Prozessbevollmächtigte. Nur einer von ihnen nimmt an der mündlichen Verhandlung teil.
Die Terminsgebühr erhält nur derjenige Anwalt, der an der Verhandlung teilgenommen hat; der andere erhält keine Terminsgebühr (sofern dieser den Tatbestand der VV 3104 nicht anderweitig, etwa durch außergerichtliche Besprechungen, verwirklicht hat). Das Verhandeln des einen Anwalts wird nicht dem anderen zugerechnet.
Rz. 13
Sofern der eine Anwalt allerdings zugleich den anderen vertritt, greift § 5, so dass dann beide Anwälte die entsprechenden Gebühren verdienen.
Beispiel: Der Mandant hat zwei Anwälte als Prozessbevollmächtigte A und B beauftragt. Zum Verhandlungstermin erscheint nur Anwalt A, dieser erklärt aber, auch für Anwalt B aufzutreten.
A erhält die Terminsgebühr unmittelbar. Über § 5 erhält auch B die Terminsgebühr.
Rz. 14
Auch im Übrigen ist die Vergütung für jeden der gemeinschaftlich tätigen Anwälte gesondert zu bestimmen. Dies bedeutet also, dass es für die Anwendung des maßgeblichen Gebührenrechts für jeden Anwalt gemäß §§ 60, 61 auf den Zeitpunkt des ihm erteilten Auftrags ankommt. Auch bei sonstigen individuellen Umständen ist jeweils auf den einzelnen Anwalt abzustellen. Die Verjährung kann unterschiedlich zu laufen beginnen, wenn die Tätigkeit des einen Anwalts früher endet als die des anderen.
Rz. 15
Auch bei Rahmengebühren darf die Vorschrift des § 6 nicht wörtlich verstanden werden, also dass jeder der beauftragten Anwälte seine Vergütung in derselben Höhe erhält. Jeder Anwalt hat vielmehr nach § 14 Abs. 1 die Höhe seiner Vergütung individuell zu bestimmen, und zwar unabhängig von der Tätigkeit des anderen Anwalts. Hier kann sich also ausnahmsweise eine interne Arbeitsteilung auf die Höhe der Vergütung auswirken.
Beispiel: In einer Strafsache beauftragt der Beschuldigte zwei Anwälte mit seiner Verteidigung. Der eine Anwalt führt mit der Staatsanwaltschaft eine umfangreiche Besprechung und erreicht, dass ...