Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
Rz. 1
Die Vorschrift ist mit Wirkung vom 1.1.2011 durch Art. 6 des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen (SiVerwNOG) eingeführt worden. Durch dieses Gesetz ist insbesondere die in § 66b Abs. 1 und 2 StGB a.F. enthaltene rechtsstaatlich umstrittene nachträgliche Sicherungsverwahrung weitgehend abgeschafft worden.
Anlass hierfür war das seit 10.5.2010 endgültige Urteil des EGMR (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte) vom 17.12.2009. Der EGMR hatte darin entschieden, dass die nachträgliche Verlängerung der Sicherungsverwahrung über die zulässige Höchstdauer zur Tatzeit hinaus gegen Art. 5 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 EMRK (Recht auf Freiheit, keine Strafe ohne Gesetz) verstößt. Die Sicherungsverwahrung sei aus der Perspektive der EMRK als eine dem strikten Rückwirkungsverbot des Art. 7 Abs. 1 S. 2 EMRK unterliegende Strafe anzusehen. Außerdem verstoße eine nachträgliche Aufhebung der früheren Vollstreckungshöchstfrist von zehn Jahren auch gegen Art. 5 Abs. 1 S. 2 Buchstabe a EMRK.
Rz. 2
Diese Rechtsprechung hat der EGMR nach Inkrafttreten des SiVerwNOG zum 1.1.2011 durch drei weitere Urteile vom 13.1.2011 bestätigt.
Darüber hinaus hat der EGMR durch ein weiteres Urt. v. 13.1.2011 entschieden, dass auch die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen die EMRK (Art. 5 EMRK) verstößt. Das ist deshalb problematisch, weil der durch Art. 4 des SiVerwNOG eingefügte Art. 316e EGStGB für Altfälle die nachträgliche Sicherungsverwahrung weiterhin zulässt.
Das SiVerwNOG enthält neben Änderungen des StGB, der StPO, des GVG, des JGG sowie des EGStGB in den Art. 1 bis 4 in Art. 5 das Gesetz zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter (Therapieunterbringungsgesetz – ThUG). Das Gesetz soll für die Betroffenen gelten, die infolge des seit dem 10.5.2010 rechtskräftigen Urteils des EGMR aus der Sicherungsverwahrung entlassen wurden oder werden, vgl. § 1 Abs. 2 ThUG. Die Therapieunterbringung kommt im Anschluss an eine zu beendende oder bereits beendete Sicherungsverwahrung nur in Betracht, wenn der Betroffene eine oder mehrere Straftaten begangen hat, welche die Anordnung der Sicherungsverwahrung zur Folge hatten.
Das BVerfG hat durch Urteile vom 4.5.2011 die Regelungen zur Sicherungsverwahrung teilweise für verfassungswidrig erklärt und dem Gesetzgeber aufgegeben, bis zum 31.5.2013 eine Neuregelung vorzunehmen. Zumindest bis zu diesem Zeitpunkt bleiben die Regelungen des ThUG anwendbar und es gelten Übergangsbestimmungen, wonach in Altfällen nur unter bestimmten Voraussetzungen eine nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet werden darf.
Das am 1.6.2013 in Kraft getretene Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebotes im Recht der Sicherungsverwahrung soll diese Vorgaben des BVerfG umsetzen.
Rz. 3
Neben den materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Therapieunterbringung regelt das ThUG auch das Verfahren. Dafür gelten – abgesehen von einigen Besonderheiten – gemäß § 3 ThUG die Vorschriften über das Verfahren in Unterbringungssachen des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) entsprechend (§§ 312 ff. FamFG).
Das Verfahren nach dem ThUG ist gerichtsverfassungsrechtlich keine Strafsache, sondern ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Denn Ziel des Verfahrens ist die Unterbringung einer Person zum Zwecke der Therapierung, was mit einer Unterbringung nach §§ 312 ff. FamFG vergleichbar ist. Abweichend von § 23a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 GVG (Zuständigkeit des Amtsgerichts) ergibt sich aber aus § 4 Abs. 1 ThUG die sachliche Zuständigkeit der Zivilkammern der Landgerichte. Denn für die zu den Zivilsachen gehörenden Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. § 13 GVG) sind die Zivilkammern der Landgerichte sachlich zuständig.