Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
Rz. 100
Bei erfolgreicher Prozessführung rechnen Anwälte häufig nicht mit ihren Auftraggebern, sondern direkt mit dem (teilweise) unterlegenen Gegner ab. Das bringt regelmäßig deutliche Erleichterungen, bedarf aber hinsichtlich der Umsatzsteuer insbesondere bei einer Mehrfachvertretung zusätzlicher Aufmerksamkeit.
Rz. 101
Sind die Streitgenossen allesamt nicht vorsteuerabzugsberechtigt, so genügt ebenso wie bei einer Einzelvertretung die schlichte Erklärung nach § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO, um die Umsatzsteuerschuld der Mandanten dem Anwalt gegenüber (VV 7008) im Umfang der Erstattungspflicht des Gegners von diesem einfordern zu können. Sind die Auftraggeber hingegen vorsteuerabzugsberechtigt, so können sie ihre Steuerschuld dem gemeinsamen Anwalt gegenüber zwar nicht vom Kostenschuldner, wohl aber stets – ungeachtet der Kostenentscheidung – in voller Höhe vom Fiskus erstattet verlangen. Diese klare Regelung bereitet bei einer Mehrfachvertretung dann Anwendungsprobleme, wenn die Auftraggeber teils vorsteuerabzugsberechtigt sind und teils nicht.
Rz. 102
Die Erklärung nach § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO, es bestehe keine Vorsteuerabzugsberechtigung, ist (formelle) Anspruchsvoraussetzung für die Erstattung von Umsatzsteuer. Soweit sie nicht abgegeben wird, haftet der Gegner nur auf die Nettobeträge und muss sich der Anwalt zur Erlangung der darauf entfallenden Umsatzsteuer direkt an seine Auftraggeber wenden.
Rz. 103
Hinter dem lediglich formellen Erklärungserfordernis steht gedanklich der sachliche Vorgang, dass die Partei mit Umsatzsteuer real belastet ist, weil überhaupt nur dann ein Vorsteuerabzug in Betracht kommen kann. Deshalb ist § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO so auszulegen, dass geltend gemachte Umsatzsteuerbeträge bei der anmeldenden Partei tatsächlich als Ausgabenposten anfallen müssen oder von ihr bereits gezahlt sind, um einen erstattungsfähigen Kostenfaktor darstellen zu können. Eine bloß hypothetische Abrechnung des Anwalts den Streitgenossen gegenüber, die nicht wirklich zu einer Steuerzahlung führen soll, reicht zur Darlegung eines Kostentatbestandes nicht aus. Deshalb ist es bei gesamtschuldnerischer Haftung der Streitgenossen für die Vergütung des eigenen Anwalts erforderlich, dass ein nicht vorsteuerabzugsberechtigter Streitgenosse bei seiner Kostenanmeldung vorträgt, mit der geltend gemachten Umsatzsteuer werde ein vorsteuerabzugsberechtigter Streitgenosse nicht belastet. Das gilt unabhängig von der Berechnung der Erstattungsforderung nach Kopf-, Wert- oder Haftungsanteilen.