Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
a) Regeln
Rz. 48
Aus dem Zusammenspiel der Regelungen in § 7 Abs. 1 und § 7 Abs. 2 ergeben sich folgende Regeln:
1. |
Der Rechtsanwalt kann in derselben Angelegenheit für die Tätigkeit für mehrere Auftraggeber die Vergütung insgesamt nur einmal fordern (Gesamtvergütung, obere Forderungsgrenze, siehe Rdn 38). |
2. |
Jeder einzelne der mehreren Auftraggeber schuldet dem gemeinsamen Rechtsanwalt die Vergütung, die im Falle einer Beauftragung nur durch ihn allein angefallen wäre. |
3. |
Hat der Rechtsanwalt Sondertätigkeiten nur für einen einzelnen Auftraggeber erbracht hat, schuldet die darauf entfallende Vergütung nur dieser. Diese Sondertätigkeiten müssen aber gebührenrechtlich eigenständig bestimmt werden können. |
4. |
Der Rechtsanwalt kann aber insgesamt nicht mehr als die nach § 7 Abs. 1 berechnete Gesamtvergütung (obere Forderungsgrenze, siehe Rdn 38) fordern. |
b) Anwendungsbereich
Rz. 49
Abs. 2 regelt die Haftung der mehreren Auftraggeber gegenüber ihrem Rechtsanwalt (vgl. Rdn 44). Die Haftung der Auftraggeber untereinander und etwaige Ausgleichsansprüche bestimmen sich dagegen nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts. Abs. 2 legt allerdings nicht nur die Höchst-, sondern andererseits auch die Mindestgrenze der Haftung des einzelnen Auftraggebers fest, indem er zugunsten des Anwalts keine Teilschuldnerschaft (§ 420 BGB), sondern die volle Einstandspflicht eines jeden Auftraggebers für die Bezahlung der von ihm veranlassten Tätigkeit und damit eine Gesamtschuldnerschaft (§ 421 BGB) normiert. Entgegen dieser klaren gesetzlichen Regelung ist jedoch bei Streitgenossen in einem gerichtlichen Verfahren dem gemeinsamen Anwalt gegenüber von faktischer Teilschuldnerschaft auszugehen, weil der BGH in nunmehr ständiger Rechtsprechung als Regelfall postuliert, dass der Anwalt von seinen Mandanten jeweils nur anteilige Vergütung verlangen kann (Fundstellen und Zitate siehe Rdn 74). Auf Abs. 2 S. 1 soll der Anwalt lediglich ausnahmsweise und nur dann zurückgreifen können, wenn ein Mandant zahlungsunfähig ist. Hintergrund dieser Rechtsprechung sind Fragen der Kostenerstattung insbesondere dort, wo Streitgenossen unterschiedlich am Verfahren und dessen Ausgang beteiligt sind (dazu und auch zur Kritik an dieser Rechtsprechung siehe Rdn 87 ff.). Deshalb ist die Anwendbarkeit der Gesamtschuldnerregelung in der Praxis beschränkt auf solche Mandate, die keiner gerichtlichen Kostenregelung unterliegen.
c) Eigenartiges Gesamtschuldverhältnis
Rz. 50
Bei einer gemeinsamen fremdnützigen Beauftragung des Anwalts zugunsten eines Mandanten (ggf. mit mehreren Gegenständen) haften die Auftraggeber für alle Gebühren gesamtschuldnerisch, weil der Anwalt von ihnen die nämliche Vergütung einfordern kann. Diese Fallgestaltung ist jedoch in der Praxis nur selten anzutreffen. Hingegen findet sich häufig eine gemeinsame eigennützige Auftragserteilung. Dann haften nach dem Gesetz die Auftraggeber zwar ebenfalls als Gesamtschuldner, aber nur teilweise, soweit sich die Einzelforderungen überschneiden. Die Gesamtforderung (Gesamtvergütung, obere Forderungsgrenze, siehe Rdn 38) des Anwalts ist höher als die einzelnen Haftungsbeträge, jedoch stets niedriger als die Summe der Haftungsbeträge aller Auftraggeber.
Rz. 51
Anders als beim Regelfall der Gesamtschuld (§ 421 S. 1 BGB) ist kein Auftraggeber verpflichtet, die ganze Leistung zu bewirken. Vielmehr "liegt ein eigenartiges Gesamtschuldverhältnis vor", das erst einsetzt, wenn der Anwalt hinsichtlich der "Gebührenspitze", die den Betrag der gemeinsamen Haftung mehrerer Auftraggeber übersteigt, befriedigt ist (zur Problematik siehe Rdn 58). Eine eigenartiges Gesamtschuldverhältnis liegt deshalb vor, weil die jeweiligen Einzelhaftungen der Auftraggeber gem. § 7 Abs. 2 S. 1 zusammen die Vergütung übersteigen, die der Anwalt insgesamt nach § 7 Abs. 1 (Gesamtvergütung) erhält. Deshalb besteht für einen Teil dieser Gesamtvergütung ein Gesamtschuldverhältnis der Auftraggeber.
d) Berechnung der eigenartigen Gesamtschuld und der alleinigen Haftung
Rz. 52
Die Berechnung dieser eigenartigen Gesamtschuld hängt davon ab, ob der Rechtsanwalt für die mehreren Auftraggeber wegen desselben oder wegen verschiedener Gegenstände tätig ist.
aa) Derselbe Gegenstand und zwei Auftraggeber
Rz. 53
Beispiel 1 (Anwalt vertritt zwei Auftraggeber):
Rechtsanwalt R klagt für seine beiden Auftraggeber A und B einen Anspruch i.H.v. 5.000 EUR ein, der diesen gemeinschaftlich zusteht. Die Klage wird kostenpflichtig abgewiesen.
Im ersten Schritt ist zunächst die Gesamtvergütung (obere ...