Rz. 108

Wird den Streitgenossen zugestanden, die Erstattung im Rahmen ihrer Haftungsanteile nach Abs. 2 zu betreiben, kann sich bei unterschiedlichen Kostenquoten die Konstellation ergeben, dass der Bruttohaftungsanteil eines nicht vorsteuerabzugsberechtigten Streitgenossen höher ist als der Nettohaftungsanteil eines vorsteuerabzugsberechtigten Streitgenossen und dass es gleichwohl im Interesse aller Streitgenossen liegt, den niedrigeren Nettoanteil vornan zu stellen. Denn letztlich soll insgesamt ein möglichst hoher Erstattungsbetrag erzielt werden, um dadurch den Eigenanteil der Prozesskosten gering zu halten. Deshalb ist bei der vergleichenden Betrachtung verschiedener Haftungsanteile unter dem Gesichtspunkt, welcher zur Erreichung des gemeinsamen Ziels der bessere ist, die Möglichkeit einer teilweisen Kostenerstattung durch den Fiskus mit zu berücksichtigen.

 

Beispiel: Der Erstattungsanspruch des vorsteuerabzugsberechtigten Gesamtschuldners S1 beläuft sich auf 25 %, derjenige des nicht vorsteuerabzugsberechtigten Gesamtschuldners S2 auf 30 %. Der Nettohaftungsanteil beträgt jeweils 1.000 EUR, die Bruttogesamtforderung des Anwalts 1.428 EUR (1.200 EUR zzgl. 19 % USt.).

Wird der Haftungsanteil des S1 von dem gemeinsamen Anwalt vorrangig dem Gegner in Rechnung gestellt, errechnet sich ein erstattungsfähiger Betrag von 250 EUR (25 % von 1.000 EUR) plus 190 EUR vom Finanzamt. Der erstattungsfähige Haftungsanteil des S2 betrüge demgegenüber 357 EUR (30 % von 1.000 EUR zzgl. 19 % USt.). Der Anteil des S1 ist zwar im Kostenfestsetzungsverfahren geringer (250 EUR statt 357 EUR). Ihn vorrangig geltend zu machen, erscheint aber unter Berücksichtigung der Umsatzsteuererstattung des Finanzamtes sinnvoll. Also sind auf den Rest von netto 200 EUR zugunsten des S2 brutto weitere 71,40 EUR (30 % von 200 EUR zzgl. USt.), mithin insgesamt 321,40 EUR zu erstatten. Das ergibt einschließlich der Umsatzsteuererstattung einen Gesamtbetrag von 511,40 EUR. Andernfalls ergäben sich 445 EUR (357 EUR auf den vollen Haftungsanteil des S2 zzgl. 25 % netto auf den Erhöhungsbetrag von 200 EUR für S1 zzgl. 38 EUR Umsatzsteuererstattung des Finanzamtes hierauf).

 

Rz. 109

Bei den Überlegungen, wie die Kostenschuld der (teilweise) obsiegenden Streitgenossen zweckmäßigerweise zu verteilen ist, darf jedoch keinesfalls außer Acht gelassen werden, dass sich die Erstattungspflicht des Gegners nur insoweit auf die Umsatzsteuer erstreckt, als auf den jeweiligen Nettobetrag Umsatzsteuer einerseits tatsächlich anfällt und zum anderen von dem Steuerschuldner mit vereinnahmten Umsatzsteuern nicht verrechnet werden kann. Für den Regelfall der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 S. 1 UStG) besteht kein Anspruch auf Erstattung von Umsatzsteuer im Kostenfestsetzungsverfahren, falls der Anwalt seine Leistungen mittels Rechnungserteilung dem Kostengläubiger (noch) nicht konkret zugeordnet hat oder aber die Zuordnung zu Lasten eines anderen (vorsteuerabzugsberechtigten) Auftraggebers vorgenommen hat. Das ist bei der Kostenanmeldung zu berücksichtigen. Es ist unzulässig und kann strafrechtliche Folgen haben, wenn einerseits die Umsatzsteuer zur Kostenerstattung von einem nicht vorsteuerabzugsberechtigten Streitgenossen angemeldet und zum anderen die nämliche Umsatzsteuerforderung des Anwalts von einem vorsteuerabzugsberechtigten Streitgenossen beim Finanzamt geltend gemacht wird.

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