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Hat der Gegner sämtliche Verfahrenskosten zu tragen, so können die Streitgenossen ihre Anwaltskosten voll zur Erstattung anmelden. Einer Aufteilung und Zuordnung nach Personen bedarf es in der Regel nicht (zur Ausnahme bei teils gegebener und teils fehlender Vorsteuerabzugsberechtigung siehe Rdn 105). Sie wird in der Regel auch nicht vorgenommen. Ob die Streitgenossen Teilgläubiger oder (teilweise) Gesamtgläubiger sind,[85] ist nur von geringer praktischer Bedeutung (nach OLG Hamm sind Streitgenossen Gesamtgläubiger, wenn sie ihre vollen Haftungsanteile anmelden. Dann haftet der Gegner ihnen ebenso, wie sie selbst dem gemeinsamen Anwalt gegenüber haften,[86] erweist sich aber als Grundsatzfrage des gesamten Erstattungsrechts. Es geht darum, ob der einzelne Streitgenosse den Gegner nur auf den (gegenständlichen oder personenbezogenen) Bruchteil der Anwaltskosten in Anspruch nehmen kann, den seine Beteiligung an der Streitgenossenschaft ausmacht,[87] oder ob sein Anspruch prinzipiell in Höhe des Haftungsanteils nach Abs. 2 besteht.[88]

 

Beispiel: G verklagt in einem Prozess A auf Zahlung von 10.000 EUR und B auf Zahlung von 15.000 EUR. A und B lassen sich gemeinsam vertreten. Die Klage wird kostenpflichtig abgewiesen.

Die gemeinsamen Anwaltskosten von A und B betragen insgesamt 2.623,95 EUR (2,5 Regelgebühren à 874 EUR zzgl. Nebenkosten zzgl. USt). Bei Teilgläubigerschaft nach Kopfteilen (§ 426 Abs. 1 S. 1 BGB) stünden A und B jeweils 1.311,98 EUR zu. Bei Teilgläubigerschaft nach Wertteilen entfielen auf A 1.049,58 EUR (2/5-Anteil am Gesamtwert) und auf B 1.574,37 EUR (3/5-Anteil am Gesamtwert). Wäre G entsprechend den Haftungsanteilen von A und B gemäß Abs. 2 verpflichtet, hätte A einen Erstattungsanspruch von 1.850,45 EUR (2,5 Regelgebühren à 614 EUR zzgl. Nebenkosten zzgl. USt) und B einen solchen von 2.159,85 (2,5 Regelgebühren à 718 EUR zzgl. Nebenkosten zzgl. USt). Sie wären teilweise Gesamtgläubiger, weil G insgesamt nicht mehr als 2.623,95 EUR erstatten muss.

[85] Nach BGH gilt wohl beides: Grundsätzlich sollen sie wertanteilige Teilgläubiger sein, es sei denn, ein Streitgenosse hat mehr als seinen wertanteiligen Anteil zu tragen, weil ein anderer Streitgenosse "ausgefallen" ist.
[86] OLG Hamm 2.9.2002 – 23 W 260/02.
[87] So etwa OLG Frankfurt AGS 2012, 250; OVG NRW AGS 2010, 235 = NJW-Spezial 2012, 252; Zöller/Herget, ZPO, § 100 Rn 4 und § 91 Rn 13 unter "Streitgenossen" 3b).
[88] Vgl. OLG Hamm OLGR 2002, 380.

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