Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
I. Einheitliche Kostenquote für alle Streitgenossen
1. Erstattungsanspruch des Gegners
Rz. 70
Für den erstattungsberechtigten Gegner ist es unerheblich, ob die zur Erstattung verpflichteten Streitgenossen gemeinsam oder einzeln vertreten werden. Der Gegner kann seine notwendigen Kosten gegenüber sämtlichen Streitgenossen gleichermaßen – entweder anteilig oder in voller Höhe – geltend machen. Diese haften im Rahmen der Belastungsquote grundsätzlich kopfteilig (§ 100 Abs. 1 ZPO), falls die Kostengrundentscheidung keine andere Zuordnung trifft (§ 100 Abs. 2 ZPO), oder ausnahmsweise als Gesamtschuldner (§ 100 Abs. 4 ZPO) oder – bei erfolglosen Einzelangriffen – hinsichtlich eines Teils der Kosten allein (§ 100 Abs. 3 ZPO).
Beispiel: Die Kosten des Rechtsstreits tragen beide Beklagten mit Ausnahme der Kosten der Beweisaufnahme; diese trägt B 1 allein. Die Kosten des Klägers belaufen sich für die Beweisaufnahme auf 300 EUR und im Übrigen auf 1.200 EUR.
Sind die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, haften B 1 i.H.v. 1.500 EUR und B 2 i.H.v. 1.200 EUR. Ansonsten haften B 1 i.H.v. 900 EUR (1/2 von 1.200 EUR zzgl. 300 EUR) und B 2 i.H.v. 600 EUR (1/2 von 1.200 EUR). – Sähe die Kostengrundentscheidung auf Seiten der Beklagten eine Quotierung von 3/4 für B 1 und 1/4 für B 2 vor, so trügen B 1 1.200 EUR (3/4 von 1.200 EUR zzgl. 300 EUR) und B 2 300 EUR (1/4 von 1.200 EUR).
Rz. 71
Der Grundsatz der kopfteiligen Haftung begünstigt den einzelnen Streitgenossen, weil er – gemessen an den von ihm verursachten Verfahrenskosten – jeweils nur für einen Bruchteil aufzukommen braucht. In der Praxis wird das aber häufig missachtet, indem die gesamten Kosten einheitlich gegen alle Streitgenossen festgesetzt werden. Darauf sollte der Anwalt der Streitgenossen im Interesse seiner anderen Mandanten insbesondere dann sein Augenmerk richten, wenn bei einem von ihnen ein Ausfallrisiko droht. Erkennt der Kostenfestsetzungsbeschluss fälschlich auf gesamtschuldnerische Haftung der Streitgenossen, könnte der Gegner alle Kosten von einem zahlungskräftigen Streitgenossen einfordern und so der Gefahr einer erfolglosen Vollstreckung gegenüber einem anderen Streitgenossen zu Lasten des zahlungskräftigen Streitgenossen begegnen. Um das zu verhindern, ist sofortige Beschwerde geboten.
2. Erstattungsanspruch bei unechter Streitgenossenschaft (verschiedene Gegenstände)
a) Echte und unechte Streitgenossenschaft
Rz. 72
Die Rechte von gemeinsam vertretenen Streitgenossen gegenüber dem erstattungspflichtigen Gegner erweisen sich als zentrales Problem der Kostenerstattung. Sie sind selbst dann umstritten, wenn die Streitgenossen voll obsiegen und der Gegner ihnen sämtliche Kosten zu erstatten hat. Teilweise wird ihnen nach überlieferter Meinung kostenrechtlich sogar verwehrt, Ansprüche als echte Streitgenossen (gemeinsame Vertretung wegen desselben Streitgegenstands) gemeinsam zu verfolgen mit dem Argument, einer von ihnen hätte ja als Prozessstandschafter für alle auftreten können. Besonders unklar ist die Rechtslage bei echten Streitgenossen, die teils obsiegen und teils unterliegen. Diese spezielle Problematik gehört zum Gebührentatbestand VV 1008 und wird dort erörtert (siehe VV 1008 Rdn 139 ff.). Hier sollen die allgemeinen Grundsätze vornehmlich anhand der unechten Streitgenossenschaft (gemeinsame Vertretung wegen verschiedener Streitgegenstände) aufgezeigt werden.
b) Uneingeschränkte Kostentragungspflicht des Gegners
aa) Gegner unterliegt vollständig
Rz. 73
Hat der Gegner sämtliche Verfahrenskosten zu tragen, so können die Streitgenossen ihre Anwaltskosten voll zur Erstattung anmelden. Einer Aufteilung und Zuordnung nach Personen bedarf es in der Regel nicht (zur Ausnahme bei teils gegebener und teils fehlender Vorsteuerabzugsberechtigung siehe Rdn 105). Sie wird in der Regel auch nicht vorgenommen. Ob die Streitgenossen Teilgläubiger oder (teilweise) Gesamtgläubiger sind, ist nur von geringer praktischer Bedeutung (nach OLG Hamm sind Streitgenossen Gesamtgläubiger, wenn sie ihre vollen Haftungsanteile anmelden. Dann haftet der Gegner ihnen ebenso, wie sie selbst dem gemeinsamen Anwalt gegenüber haften, erweist sich aber als Grundsatzfrage des gesamten Erstattungsrechts. Es geht darum, ob der einzelne Streitgenosse den Gegner nur auf den (gegenständlichen oder personenbezogenen) Bruchteil der Anwaltskosten in Anspruch nehmen kann, den seine Beteiligung an der Streitgenossenschaft ausmacht, oder ob sein Anspruch prinzipiell in Höhe des Haftungsanteils nach Abs. 2 besteht.
Beispiel: G verklagt in einem Prozess A auf Zahlung von 10.000 EUR und B auf Zahlung von 15.000 EUR. A und B lassen sich gemeinsam vertreten. Die Klage wird kostenpflichtig abgewiesen.
Die gemeinsamen Anwaltskosten von A und B betragen insgesamt 2.623,95 EUR (2,5 Regelgebühren à 874 EUR zzgl. Nebenkosten zzgl. USt). Bei Teilgläubigerschaft nach Kopfteilen (§ 426 Abs. 1 S. 1 BGB) stünden A und B jeweils 1.311,98 EUR zu. Bei Teilgläubigerschaft nach Wertteilen...