Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
1. Dieselbe Angelegenheit
a) Begriff der Angelegenheit
Rz. 19
Der Begriff der Angelegenheit hat für die Geschäftsbesorgung des Anwalts zentrale Bedeutung, weil hierdurch der mit dem Auftrag individuell festgelegte Rahmen der Interessenvertretung beschrieben wird (vgl. § 15 Rdn 23 ff.). Er braucht nicht von vornherein bestimmt zu werden, sondern unterliegt einer zeitnahen nachträglichen Erweiterung. Gem. § 15 Abs. 5 S. 2 gilt die weitere Tätigkeit als neue Angelegenheit und in diesem Gesetz bestimmte Anrechnungen von Gebühren entfallen, wenn der frühere Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt ist.
Rz. 20
Da jede Angelegenheit gebührenrechtlich eine eigene Abrechnungseinheit darstellt (§ 15 Abs. 1), ist das Gesetz bestrebt, diesen Rahmenbegriff gegenständlich möglichst klar auszufüllen. Eine allgemein gültige Definition des sachlichen Gehalts wird aber angesichts der vielfältigen Variationsmöglichkeiten gar nicht erst versucht. Weisungsgemäß erbrachte anwaltliche Leistungen betreffen in der Regel dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann. Der Begriff soll sich insbesondere durch die Fallgruppenbeispiele in §§ 16 ff. erschließen. Methodisch geschieht das in der Weise, dass einzelne Angelegenheiten konkretisiert und von anderen abgegrenzt werden. So zählt § 16 innerhalb einer durchnummerierten Liste eine Anzahl von Aufgaben des Anwalts auf, die jeweils als eine Angelegenheit zusammengehören sollen. Das ist allerdings keineswegs erschöpfend gemeint, sondern will nur praktisch bedeutsame Tätigkeitsfelder aufzeigen, soweit eine gesetzliche Verknüpfung jedenfalls angebracht erscheint.
Rz. 21
Neben der positiven Zuordnung unterschiedlicher Tätigkeiten des Anwalts zu ein und derselben Angelegenheit, wie sie in § 16 stattfindet, bedient sich das Gesetz auch der negativen Abgrenzung, indem § 17 festlegt, welche Aufgaben des Anwalts als verschiedene Angelegenheiten zu qualifizieren sind. So bildet das Strafverfahren in jedem Rechtszug dieselbe Angelegenheit, allerdings mit der Besonderheit, dass das Ermittlungsverfahren und das Hauptverfahren gem. § 17 Nr. 10a ebenfalls verschiedene Angelegenheiten sind. Darüber hinaus bestimmt § 18, welche Interessenwahrnehmung des Anwalts als besondere Angelegenheit zählt, und § 19, welche Tätigkeiten zu dem gebührenrechtlichen Rechtszug oder dem Verfahren gehören.
b) Angelegenheit und Rechtszug
Rz. 22
Der Begriff der Angelegenheit ist nicht die einzige Bezugsgröße für den Abgeltungsbereich der Gebühren. Daneben kommt auch dem Begriff des Rechtszuges eine bestimmende Funktion zu, vgl. z.B. §§ 17 Nr. 1, 20 und 21. Allerdings regelt der Gesetzgeber durch die Streichung von § 15 Abs. 2 S. 2 (Gebühren entstehen in jedem Rechtszug) zum 1.8.2013 durch das 2. KostRMoG nicht mehr ausdrücklich, dass ein neuer Rechtszug zu einer neuen gebührenrechtlichen Angelegenheit führt. § 17 Nr. 1 hilft hier nicht weiter, weil dort nur bestimmt wird, dass das Rechtsmittelverfahren und das vorausgegangene Verfahren verschiedene Angelegenheiten sind. Beide Zuordnungskriterien stehen in keinem inneren Zusammenhang, da Inhalt und Dauer einer Angelegenheit vornehmlich durch den Geschäftsbesorgungsauftrag festgelegt werden, während der zeitliche wie gegenständliche Umfang eines Rechtszuges durch den Gesetzgeber zu bestimmen ist. Die konkrete Angelegenheit kann sowohl rechtszugübergreifend sein als auch nur einen Teil desselben abdecken.
Rz. 23
Eine Verknüpfung der Begriffe stellt § 19 her. Soweit Angelegenheit und Rechtszug sich überlagern, gilt hiernach der Grundsatz: Alles was zum Rechtszug gehört, gehört auch zur Angelegenheit, es sei denn, die Tätigkeiten des Anwalts stellen eine besondere Angelegenheit nach § 18 dar. Das ist etwa der Fall bei Vollstreckungsmaßnahmen gegen mehrere Schuldner. Dann ist die Vertretung eines jeden Schuldners eine bes...