Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
1. Anknüpfung an Gerichtskosten
Rz. 35
Der Aufbau des RVG mit seinem Vergütungsverzeichnis und die Struktur der Regelgebühren unterstreichen den hergebrachten Grundgedanken des Gesetzgebers, die Vergütung des Anwalts möglichst daran zu orientieren, wie die Justiz für ihre Leistungen entschädigt wird. Diesem Ziel dient Abs. 1, der im Kontext zu § 15 Abs. 1 vergleichbar mit dem Gerichtskostengesetz bzw. dem Familiengerichtskostengesetz (vgl. §§ 34 ff. GKG, §§ 28 ff. FamGKG) regelt, dass sich die Gebühren allein nach dem sachlichen Gegenstand oder der Anzahl der Gegenstände (§ 22) einer Angelegenheit richten, nicht hingegen nach der Anzahl der daran beteiligten Personen.
2. Anknüpfung an Anzahl der Angelegenheiten
Rz. 36
Zugleich bestärkt Abs. 1 das Prinzip, dass die Angelegenheit als solche den Abgeltungsbereich der Gebühren umschreibt, also jede Angelegenheit die Regelgebühren erneut anfallen lässt. Deren Anzahl richtet sich allein nach der Zahl der Angelegenheiten, soweit jeweils ein Gebührentatbestand verwirklicht wurde. Deshalb ist es für die Vergütung des Anwalts in erster Linie von Bedeutung, um wie viele Angelegenheiten es geht. Das kann er insbesondere bei mehreren Auftraggebern mit beeinflussen, weil er als deren Vertragspartner auch darüber zu entscheiden hat, ob er für sie zusammen oder in getrennten Vorgängen tätig werden will.
3. Mehraufwand durch mehrere Auftraggeber
Rz. 37
Das Konzept, die Vergütung für eine Tätigkeit nur nach ihrem sachlichen Gehalt auszurichten, lässt etwaige Mehrarbeit unberücksichtigt, die lediglich darauf zurückzuführen ist, dass an derselben Sache mehrere Personen beteiligt sind. Soweit es um Gerichtsgebühren geht, wird das hingenommen. Kostenrechtlich macht es dort keinen Unterschied, ob eine Partei aus einer oder mehreren Personen besteht; das GKG kennt keinen Gebührentatbestand speziell für Streitgenossen, sondern nur eine dem § 7 vergleichbare Haftungsbestimmung (§ 32 GKG). Bei den Anwaltsgebühren ist der Gesetzgeber aber einen anderen Weg gegangen. Zwar bleibt es auch hier bei dem Grundsatz, dass die Anzahl der Gebühren allein von der Anzahl der Angelegenheiten abhängig ist. Jedoch wird der vermutete zusätzliche Aufwand und das erhöhte Haftungsrisiko für den Anwalt, soweit er nicht mittels Zusammenrechnung von Gegenstandswerten (§ 22) berücksichtigt wird, dadurch ausgeglichen, dass die Verfahrens- oder Geschäftsgebühr höher ausfällt (VV 1008).
4. Gesamtvergütung
a) Obere Forderungsgrenze im Innenverhältnis
Rz. 38
Abs. 1 enthält (i.V.m. § 15 Abs. 2) die Regel, dass der Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit bei Tätigkeit für mehrere Auftraggeber die Gebühren nur einmal erhält. Er erhält also pro Angelegenheit insbesondere nur eine Geschäftsgebühr oder eine Verfahrensgebühr, die als Wertgebühr (§§ 13, 49) und bei Gegenstandsidentität ggf. nach VV 1008 zu erhöhen ist. Betrifft die Tätigkeit in derselben Angelegenheit mehrere Auftraggeber und verschiedene Gegenstände, werden die je nur einmal anfallenden Gebühren aus den gem. § 22 Abs. 1 zusammengerechneten Werten berechnet. § 7 Abs. 1 gilt also nicht nur bei Gegenstandsidentität und Gebührenerhöhung nach VV 1008, sondern auch bei Gegenstandsverschiedenheit. Die Vergütung, die der Rechtsanwalt im Innenverhältnis für die Tätigkeit für alle Auftraggeber insgesamt erhält, wird als Gesamtvergütung bezeichnet. Der Gesamtvergütungsanspruch bildet die obere Forderungsgrenze.
b) Verhältnis von Abs. 1 zu Abs. 2
Rz. 39
Aus der Gesamtvergütung bzw. der oberen Forderungsgrenze ergibt sich noch nicht, welcher der mehreren Auftraggeber dem gemeinsamen Rechtsanwalt die Vergütung in welcher Höhe schuldet. Die gesamtschuldnerische Haftung aller Auftraggeber sowie deren Einzelhaftungen sind nach § 7 Abs. 2 zu ermitteln.
c) Gesamtvergütung: Tätigkeit betrifft denselben Gegenstand
Rz. 40
Vertritt der Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit mehrere Auftraggeber und ist der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit derselbe, erhält der Rechtsanwalt eine nach VV 1008 erhöhte Geschäfts- oder Verfahrensgebühr. Die Erhöhung wird nach dem Betrag berechnet, an dem die Personen gemeinschaftlich beteiligt sind.
aa) Zwei Auftraggeber vorhanden
Rz. 41
Beispiel 1 (Anwalt vertritt zwei Auftraggeber):
Rechtsanwalt R klagt für seine beiden Auftraggeber A und B einen Anspruch i.H.v. 5.000 EUR ein, der diesen gemeinschaftlich zusteht. Die Klage wird kostenpflichtig abgewiesen.
R ermittelt seinen Gesamtvergütungsanspruch (obere Forderungsgrenze):