Rz. 143
Darüber hinaus wird der Ablauf der Verjährungsfrist nach Abs. 2 gehemmt, solange die Vergütung wegen eines entgegenstehenden Streitwertbeschlusses gemäß §§ 32 Abs. 1, 33 Abs. 1 nicht geltend gemacht werden kann. Da im Falle einer nachfolgenden Streitwertfestsetzung und eines eventuellen Beschwerdeverfahrens kein rechtskräftiger Abschluss des Verfahrens i.S.d. Abs. 2 vorliegt, bleibt der Ablauf der Verjährung gehemmt, bis über die Streitwertfestsetzung rechtskräftig entschieden ist.
Beispiel: Im Urteil setzt das LG den Gegenstandswert auf 10.000 EUR fest. Das Urteil wurde im November 2019 zugestellt. Hiergegen legt der Anwalt aus eigenem Recht Streitwertbeschwerde nach § 32 Abs. 2 RVG i.V.m. § 69 GKG ein. Im Januar 2020 setzte das OLG den Streitwert auf 15.000 EUR fest.
Rz. 144
Die Frage, ob und wann hier die Fälligkeit eintritt, war lange umstritten. Zum Teil wurde vertreten, der Lauf der Verjährung könne insgesamt erst mit Erlass des endgültigen Streitwertbeschlusses beginnen, weil sich anderenfalls die Höhe der dem Anwalt zustehenden Vergütung nicht berechnen ließe. Andere Gerichte wollten differenzieren: Soweit sich die Vergütung aus dem zu niedrig festgesetzten Gegenstandswert ergab, sollte diese sofort fällig werden. Die Fälligkeit des Differenzbetrages der Vergütung, der sich aus der höheren Wertfestsetzung ergab, sollte dagegen erst mit Erlass des weiteren Streitwertbeschlusses zu laufen beginnen, so dass der Anwalt den weiteren Teil seiner Vergütung auch dann noch einfordern konnte, wenn die nach dem bisherigen Wert berechnete Vergütung bereits verjährt war.
Rz. 145
Der BGH hatte diese Frage zwischenzeitlich geklärt und beide der vorgenannten Auffassungen abgelehnt. Diese Entscheidung hat nach wie vor Gültigkeit, auch wenn sie wegen des neu eingeführten Abs. 2 geringere Bedeutung hat.
Rz. 146
Der BGH weist zu Recht darauf hin, dass die Fälligkeit der Vergütung eindeutig in Abs. 1 geregelt und an die dortigen Tatbestände geknüpft ist. Weder der Erlass eines Streitwertbeschlusses noch seine Änderung sind dort erwähnt. Daher hat weder die erstmalige Festsetzung des Streitwertes noch die nachträgliche Änderung Einfluss auf die Fälligkeit. Einzelne Teile des Vergütungsanspruchs können zwar zu unterschiedlichen Zeitpunkten fällig werden. Das allein rechtfertige jedoch keine Anknüpfung der Fälligkeit des Vergütungsanspruchs an die Streitwertfestsetzung. Dies wäre trotz der sich aus §§ 32 Abs. 1, 33 Abs. 1 ergebenden Abhängigkeit in manchen Fällen ohnehin nicht durchzuhalten und würde in vielen Fällen auch zu unangemessenen Ergebnissen führen.
Beispiel: Das LG setzt in seinem Urteil den Streitwert auf 12.000 EUR fest. Der Beschwerde des Gegners wird vom LG abgeholfen und der Streitwertbeschluss auf 8.000 EUR abgeändert. Nunmehr legt der Anwalt hiergegen Beschwerde ein. Das OLG setzt den Streitwert wieder auf 12.000 EUR fest.
Würde man die Fälligkeit uneingeschränkt mit dem ersten zutreffenden Streitwertbeschluss des LG beginnen lassen, so könnte der Fall eintreten, dass der Anwalt aufgrund des zweiten Beschlusses des LG gemäß § 32 Abs. 1 gehindert wäre, seinen Vergütungsanspruch durchzusetzen. Zum Zeitpunkt der Korrektur des Streitwertbeschlusses – möglicherweise erst nach Abschluss des Berufungsverfahrens – hätte der Vergütungsanspruch – vorbehaltlich des jetzt eingeführten Abs. 2 – dann bereits verjährt sein können. Dieses Ergebnis hatte man zwar vermeiden können, indem man die Fälligkeit mit Erlass des neuen Streitwertbeschlusses erneut beginnen ließe. Für eine solche Konstruktion gibt es jedoch keine gesetzliche Grundlage. Nach alledem erweist sich der Erlass eines Streitwertbeschlusses als ein ungeeigneter Anknüpfungspunkt für den Verjährungsbeginn. Es muss daher dabei bleiben, dass allein die in Abs. 1 geregelten Tatbestände für den Eintritt der Fälligkeit maßgebend sind.
Rz. 147
Einwendungen, die sich aus der Bindungswirkung des Festsetzungsbeschlusses ergeben (§ 32 Abs. 1), berühren daher nicht die Fälligkeit des Anspruchs, sondern nur dessen gerichtliche Durchsetzbarkeit. Solche Hinderungsgründe wurden nach der bisherigen Rechtslage durch § 202 BGB a.F. und werden jetzt durch § 205 BGB n.F. ausreichend erfasst. Danach ist der Ablauf der Verjährungsfrist gehemmt, solange der Verpflichtete vorübergehend zur Verweigerung der Leistung berechtigt ist. Hiermit sind nicht nur Einreden im rechtstechnischen Sinne zu verstehen, sondern alle Fallgestaltungen, in denen der Durchsetzung des Anspruchs vorübergehend ein rechtliches Hindernis entgegensteht. Zu diesen Fällen zählt es auch, wenn und solange ein anwaltlicher Gebührenanspruch wegen zu niedriger Festsetzung nach § 32 Abs. 1 nicht geltend gemacht werden kann. Dies wiederum bedeutet, dass die Verjährung des höheren Anspruchs nach einer gerichtlichen Festsetzung des Gegenstandswertes gehemmt ist, soweit sich der Anspruch aus dem höheren (zutreffenden) Wert ergibt, bis dieser zutreffende Wert aufgrund eines späteren Beschlusses festg...