I. Vereinbarungen
Rz. 11
Anwalt und Auftraggeber können über die Fälligkeit der Vergütung eine Vereinbarung treffen. Diese geht dann der Vorschrift des Abs. 1 vor.
Rz. 12
Die Vereinbarung einer vorzeitigen Fälligkeit muss nicht den Formerfordernissen des § 3a Abs. 1 entsprechen, da sie nicht zu einer höheren Vergütung führt. Geschuldet bleibt nach wie vor die gesetzliche Vergütung, wenn auch zu einem früheren Zeitpunkt. Zwar ergibt sich für den Anwalt ein Zinsgewinn durch die vorzeitige Zahlung. Dies ist jedoch unbeachtlich, zumal der Anwalt ohnehin jederzeit einen Vorschuss in Höhe der bereits angefallenen und der voraussichtlichen weiteren Vergütung verlangen könnte, was im Ergebnis auf das Gleiche hinauslaufen würde.
Rz. 13
Die Vereinbarung einer späteren Fälligkeit als der gesetzlichen ist jederzeit formlos möglich. Berufsrechtliche Bedenken bestehen nicht, es sei denn, das Hinausschieben der Fälligkeit kommt einem Verzicht oder der Vereinbarung eines unzulässigen Erfolgshonorars gleich.
Rz. 14
Vereinbart werden können auch bedingte Fälligkeiten, etwa, dass die Fälligkeit an die Zahlung des Gegners oder einen anderen Geldeingang geknüpft wird. Insoweit muss allerdings für den Fall des Nichteintritts der Fälligkeitsbedingung ein endgültiger Zahlungstermin vereinbart sein, da dies anderenfalls einem bedingten Erlass oder einer Unterschreitung der gesetzlichen Vergütung gleich käme und damit berufswidrig wäre.
Beispiel: In einem Rechtsstreit auf Rückzahlung eines Darlehens stundet der Anwalt dem Mandanten die Honorarforderung bis zum Eingang der Darlehenssumme.
Würde der Mandant den Prozess verlieren oder wäre der Beklagte zahlungsunfähig, würde die Honorarforderung dem Wortlaut nach nie fällig. Ein solcher Fälligkeitsaufschub wäre als Erfolgshonorarvereinbarung berufswidrig.
II. Die gesetzlichen Fälligkeitstatbestände
1. Allgemeines
Rz. 15
Abs. 1 enthält ebenso wie die Vorgängervorschrift des § 16 BRAGO fünf Fälligkeitstatbestände. Für den Eintritt der Fälligkeit genügt es, dass einer dieser Tatbestände erfüllt ist.
Rz. 16
Es können selbstverständlich auch kumulativ mehrere Fälligkeitstatbestände ausgelöst werden. Maßgebend ist dann der Fälligkeitstatbestand, der als erster verwirklicht worden ist.
Rz. 17
Möglich auch, dass die Vergütung nicht einheitlich fällig wird, sondern sukzessive verschiedene Teile der Vergütung durch verschiedene Tatbestände nacheinander fällig werden (siehe Rdn 62).
2. Generelle Fälligkeitstatbestände (Abs. 1 S. 1)
Rz. 18
In Abs. 1 S. 1 sind zwei generelle Fälligkeitstatbestände aufgestellt, die für alle Vergütungen nach dem RVG gelten, nämlich
▪ |
die Erledigung des Auftrags (Abs. 1 S. 1, 1. Alt.) und |
▪ |
die Beendigung der Angelegenheit (Abs. 1 S. 1, 2. Alt). |
a) Erledigung des Auftrags (Abs. 1 S. 1, 1. Alt.)
aa) Kenntnis von der Erledigung
Rz. 19
Die Vergütung wird nach Abs. 1 S. 1, 1. Alt. fällig, wenn der Auftrag erledigt ist. Voraussetzung hierfür ist, dass der Anwalt von der Erledigung Kenntnis erlangt.
Beispiel: Der Anwalt war im Jahr 2016 mit der rechtlichen Betreuung und Vorbereitung eines Wohnungsverkaufs beauftragt worden. Während des Mandats hat der Auftraggeber im November 2017 ohne Beteiligung des Anwalts die Wohnung verkauft. Hiervon hat der Anwalt erst im Februar 2018 erfahren.
Die Vergütung ist erst mit Kenntniserlangung, also im Februar 2018, fällig geworden, nicht schon bereits mit Abschluss des Kaufvertrages im Jahr 2017, so dass die Verjährung nach § 195 BGB erst mit Ablauf des Jahres 2021 eintritt.
bb) Vollständige Erfüllung
Rz. 20
Der Auftrag ist erledigt, wenn der Rechtsanwalt seinen Verpflichtungen aus dem Anwaltsdienstvertrag vollständig nachgekommen ist.
Rz. 21
Besteht der Auftrag darin, einen Vertrag notariell beurkunden zu lassen, dann ist der Auftrag erst beendet, wenn der Anwalt die Möglichkeit hatte, den beurkundeten Vertrag daraufhin zu prüfen, ob er das von seiner Partei Gewollte richtig wiedergibt. Ob der Anwalt dieser Verpflichtung tatsächlich nachgekommen ist, ist unerheblich.
cc) Niederlegung des Mandats, Aufhebung oder Kündigung des Anwaltsvertrags
Rz. 22
Die Erledigung kann vorzeitig eintreten, nämlich dann, wenn der Anwalt das Mandat niederlegt, der Auftraggeber den Anwaltsvertrag kündigt oder beide Parteien den Vertrag einvernehmlich aufheben. Übernimmt der Anwalt zu einem späteren Zeitpunkt die Vertretung erneut, werden die frühere Fälligkeit und die bereits laufende Verjährungsfrist nicht beseitigt (zum Wiederaufleben verjährter Forderungen siehe Rdn 155 ff.).
dd) Aufhebung der Beiordnung oder Bestellung
Rz. 23
War der Anwalt im Rahmen der Prozesskostenhilfe oder anderweitig beigeordnet und kündigt die bedürftige Partei das Mandat, so erledigt sich für ihn der Auftrag i.S.d. Abs. 1 erst mit der Aufhebung seiner Beiordnung.
Rz. 24
Für den Pflichtverteidiger erledigt sich der Auftrag i.S.d. Abs. 1, wenn das Gericht seine Bestellung aufhebt. Der Vergütungsanspruch nach § 45 Abs. 3 gegen die Staatskasse wird damit fällig. Ob die...