Rz. 123

Nach entsprechenden Studien ist es um das Forderungsmanagement der Anwälte schlecht bestellt, gerade auch bei kleineren Kanzleien.[93] Umso ärgerlicher ist es, wenn vor Realisierung der offen stehenden Forderungen der Auftraggeber in Insolvenz fällt. Die richtig genutzte Möglichkeit des Anwalts auf Zahlung eines Vorschusses kann insoweit manchen Forderungsverlust verhindern.

[93] Soldan Institut: Forderungsausfälle in der deutschen Anwaltschaft, AnwBl 2006, 344 f.

I. Vor Insolvenzeröffnung entstandener Anspruch auf Vorschuss

 

Rz. 124

Sämtliche vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen anwaltlichen Gebührenansprüche gegen den Mandanten als Insolvenzschuldner werden mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu gewöhnlichen Insolvenzforderungen; dazu gehört auch der Anspruch des Anwalts auf Zahlung eines Vorschusses, weil dieser mit der Erteilung des Auftrags in der jeweiligen Angelegenheit i.S.v. § 38 InsO begründet worden ist.[94] Diese – selbst titulierten – Ansprüche können mit der Eröffnung nicht mehr gegen den Mandanten (Insolvenzschuldner) geltend gemacht, sondern nur noch als Insolvenzforderungen zur Insolvenztabelle angemeldet werden.

[94] H.M., vgl. MüKo-InsO/Ehricke, § 39 Rn 17; HK-InsO/Eickmann, § 39 Rn 8.

II. Nach Insolvenzeröffnung entstandener Anspruch auf Vorschuss

 

Rz. 125

Wird der Anwalt erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Insolvenzschuldner beauftragt, ist dies zwar wirksam, weil der Übergang der Verfügungsbefugnis vom Insolvenzschuldner auf den Insolvenzverwalter gemäß § 81 InsO nur Verfügungsgeschäfte betrifft, nicht aber auch Verpflichtungsgeschäfte. Für die Gebühren des Anwalts, der insoweit Neugläubiger ist, haftet jedoch nicht die Insolvenzmasse, sondern nur der Schuldner persönlich. Die Erfüllung seiner Gebührenforderung wird der Anwalt aufgrund der Bestimmungen der §§ 81, 91 InsO allerdings nur aus dem insolvenzfreien Vermögen des Schuldners erhalten können.

III. Das rechtliche Schicksal des erhaltenen Vorschusses nach Insolvenzeröffnung

 

Rz. 126

Hat der Anwalt vor Insolvenzeröffnung einen Vorschuss für seine Tätigkeit erhalten, stellt sich die Frage, ob er diesen Vorschuss nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen seines Mandanten behalten oder aufgrund der vom Insolvenzverwalter gemäß §§ 129 ff. InsO geltend gemachten Insolvenzanfechtung gemäß § 143 InsO zur Masse zurückgewähren muss.

 

Rz. 127

Nach der nunmehr als gefestigt anzusehenden Rechtsprechung des BGH[95] wird der Anwalt nur insoweit geschützt, als der Vorschuss eine Vergütung für wertäquivalente Tätigkeiten darstellt, die der Anwalt in der Zeit vor Erhalt des Vorschusses bereits erbracht hatte oder die er innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt des Vorschusses erbracht hat. Nur unter diesen Voraussetzungen liegt ein kongruentes Rechtsgeschäft vor, das die Voraussetzungen eines Bargeschäfts i.S.v. § 142 InsO erfüllt und deswegen nicht über § 130 InsO angefochten werden kann.

 

Rz. 128

Dabei ist allerdings zu beachten, dass selbst bei derartig kongruenten Leistungen eine Anfechtung gemäß § 133 Abs. 1 S. 1 InsO (vorsätzliche Benachteiligung) nicht ausgeschlossen ist.

 

Rz. 129

Verlangt der Anwalt einen Vorschuss in einer Höhe, der die wertäquivalente Vergütung für die nächsten 30 Tage überschreitet, handelt es sich nicht mehr um ein Bargeschäft, so dass auch eine Anfechtung gemäß § 131 InsO wegen inkongruenter Leistungen in Betracht kommt.

Inkongruent ist die Vorschussleistung des Insolvenzschuldners (Mandanten) immer dann, wenn

ein Vorschuss erst nach Beendigung der Angelegenheit geltend gemacht und geleistet wird, weil mit der Beendigung der Angelegenheit[96] der Vergütungsanspruch fällig und damit der Vorschussanspruch erloschen ist;[97]
in einer noch nicht beendigten Angelegenheit, die innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt des Vorschusses oder auch davor erfolgte, die anwaltliche Tätigkeit dem gezahlten Vorschuss nicht gleichwertig ist;
in einer noch nicht beendigten Angelegenheit der Vorschuss Tätigkeiten für die Zeit nach Ablauf von 30 Tagen nach Erhalt des Vorschusses abdecken soll, und zwar selbst dann, wenn die nach den 30 Tagen liegende Tätigkeit und der darauf entfallende Teil des Vorschusses gleichwertig wären.
 

Rz. 130

 

Hinweis

Aus insolvenzrechtlicher Sicht ist der Anwalt daher gut beraten, wenn er jeweils Vorschüsse in Höhe einer wertäquivalenten Höhe für die nächsten 30 Tage fordert oder/und vereinbart, Teilleistungen gegen entsprechende Vergütung[98] zu erbringen.

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