1. Pflicht zur Abrechnung und Auszahlung nicht verbrauchter Vorschüsse
Rz. 91
Mit Eintritt der Fälligkeit sind Vorschüsse unverzüglich abzurechnen (§ 23 BORA). Erforderlich ist eine ordnungsgemäße Abrechnung nach § 10, in der gem. § 10 Abs. 2 die gezahlten Vorschüsse auszuweisen sind. Das gilt auch bei einer vereinbarten Vergütung. Nicht verbrauchte Vorschüsse sind unverzüglich zurückzuzahlen.
Rz. 92
War der Rechtsanwalt in mehreren Angelegenheiten i.S.d. § 15 beauftragt, so hat er nach Erledigung jeder einzelnen Angelegenheit einen hierfür vereinnahmten Vorschuss unverzüglich abzurechnen. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn das Mandat fortbesteht, weil es noch weitere Angelegenheiten umfasst. Der Anwalt kann dann lediglich in der weiteren Angelegenheit einen weiteren Vorschuss verlangen bzw. das Abrechnungsguthaben aus der vorangegangenen Angelegenheit mit seinem Anspruch auf weiteren Vorschuss verrechnen.
Rz. 93
Zweckmäßig ist es, die Verrechnung auf Netto-Basis vorzunehmen, also die Nettobeträge der Vorschüsse von der Nettovergütung abzuziehen und dann erst die Umsatzsteuer auszuweisen. Werden dagegen die Brutto-Vorschüsse erst von der Brutto-Summe abgezogen, wird die auf die Vorschüsse entfallende Mehrwertsteuer zu Unrecht doppelt ausgewiesen und muss dann vom Anwalt auch doppelt abgeführt werden (§ 14 Abs. 2 UStG), obwohl er sie nur einmal vereinnahmt hat (siehe § 10 Rdn 48).
Beispiel: Der Anwalt hatte eine 1,5-Geschäftsgebühr abgerechnet. Er hatte bereits einen Vorschuss in Höhe von 500 EUR zuzüglich 19 % Umsatzsteuer erhalten.
1. |
1,5-Geschäftsgebühr, VV 2300 (Wert: 25.000 EUR) |
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1.311,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
3. |
./. Vorschuss vom ... (netto) |
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– 500,00 EUR |
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Zwischensumme |
831,00 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
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157,89 EUR |
Gesamt |
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988,89 EUR |
Rz. 94
Werden Vorschüsse auf Bruttobasis abgerechnet, muss in der Rechnung ausgewiesen sein, in welcher Höhe der Brutto-Vorschuss Umsatzsteuer enthält.
Beispiel: Wie Beispiel Rdn 93.
1. |
1,5-Geschäftsgebühr, VV 2300 (Wert: 25.000 EUR) |
1.311,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
|
20,00 EUR |
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Zwischensumme |
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1.331,00 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
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252,89 EUR |
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Summe: |
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1.583,89 EUR |
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./. Vorschuss |
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– 595,00 EUR |
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Endsumme: |
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988,89 EUR |
In der Endsumme enthaltene Umsatzsteuer |
157,89 EUR aus |
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988,99 EUR |
In der Vorschusszahlung enthaltene Umsatzsteuer: |
95,00 EUR aus |
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595,00 EUR |
Rz. 95
Vorschüsse dürfen nur mit den Gebühren desjenigen Auftrags oder derjenigen Angelegenheit verrechnet werden, für die sie angefordert worden sind. Dies ergibt sich aus der Zweckbestimmung des Vorschusses.
Rz. 96
Soweit der Vorschuss die Vergütung des Anwalts übersteigt und sich ein entsprechender Rückerstattungsanspruch des Mandanten (zur Rechtsschutzversicherung siehe Rdn 110) ergibt, kann der Anwalt allerdings zur Aufrechnung mit anderen fälligen Vergütungsforderungen oder mit weiteren Vorschussforderungen (siehe Rdn 73) berechtigt sein. Dies kommt jedoch auf den Einzelfall an. Aus der Natur des Mandatsverhältnisses und aus Berufsrecht können sich Aufrechnungsverbote ergeben.
2. Rechte des Mandanten bei unterbliebener Abrechnung
a) Anspruch auf Abrechnung
Rz. 97
Mit Eintritt der Fälligkeit entsteht für den Auftraggeber ein vertraglicher Anspruch auf Abrechnung unter Berücksichtigung der Vorschüsse. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Auftraggebers geht das Recht, den Anspruch auf Abrechnung geltend zu machen, auf den Insolvenzverwalter über.
Rz. 98
Kommt der Anwalt seiner Verpflichtung zur unverzüglichen Abrechnung nicht nach, kann der Auftraggeber auf Erteilung einer ordnungsgemäßen Abrechnung klagen. Das gilt auch dann, wenn er ohne Erteilung einer ordnungsgemäßen Rechnung bereits gezahlt hat (§ 10 Abs. 3). Ein entsprechendes Urteil wäre dann nach § 888 ZPO zu vollstrecken.
b) Anspruch auf Rückzahlung
aa) Anspruchsgrundlage
Rz. 99
Soweit die gezahlten Vorschüsse nicht verbraucht sind, steht dem Auftraggeber ein Rückzahlungsanspruch zu. Häufig wird der Anspruch auf Rückzahlung eines nicht verbrauchten Vorschusses auf Bereicherungsrecht gestützt. Ein solcher Anspruch dürfte wohl auch gegeben sein, da mit Beendigung des Mandats der Vergütungsanspruch des Anwalts feststeht und daher ein Recht zum Behaltendürfen darüber hinaus gezahlter Vorschussbeträge nicht mehr besteht. Der bereicherungsrechtliche Anspruch ist jedoch ein "schwacher" Anspruch, da sich der Anwalt gegenüber diesem Anspruch auf den Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 B...