1. Hebegebühren
Rz. 107
Ein spezielles Recht auf Vorschuss ist in VV 1009 geregelt. Danach ist der Anwalt berechtigt, seine Hebegebühren vor Ablieferung von Zahlungen an den Auftraggeber zu entnehmen. Zum Teil wird in dieser Vorschrift ein Sondertatbestand zur Fälligkeit der Vergütung gesehen. Dies ist jedoch unzutreffend, da dies auch zur Folge hätte, dass bereits schon durch die bloße Möglichkeit, die Hebegebühr dem Fremdgeld zu entnehmen, die Verjährung in Gang gesetzt würde. Bei der Vorschrift der Anm. Abs. 2 S. 2 zu VV 1009 handelt es sich daher lediglich um eine besondere Ausgestaltung des Rechts auf Vorschuss, was sich schon daraus ergibt, dass der Anwalt vor der Ablieferung, also vor Erledigung des Auftrags, seine Vergütung entnehmen darf und eine Abrechnung nach § 10 nicht erforderlich ist. Diese ist allerdings nachzureichen.
2. Vollstreckungskosten
Rz. 108
Ein weiteres Vorschussrecht in der Form des Entnahmerechts ergibt sich in Zwangsvollstreckungssachen. Hier können nach § 788 Abs. 1 S. 1, 2. Hs. ZPO die Kosten der Vollstreckung zusammen mit der Hauptforderung beigetrieben werden. Geschieht dies, so darf der Anwalt seine beigetriebene Vergütung entnehmen und vereinnahmen. Auch hier wird zum Teil angenommen, das Entnahmerecht nach § 788 Abs. 1 S. 1, 2. Hs. ZPO bewirke den Eintritt der Fälligkeit. Dies ist unzutreffend, da dann auch hier schon durch die bloße Möglichkeit, die Vollstreckungskosten dem Fremdgeld zu entnehmen, die Verjährung in Gang gesetzt würde. Im Gegensatz zur Ablieferung von Geldern kommt hier hinzu, dass mit dem Einzug der beigetriebenen Gelder die Vollstreckung noch nicht abgeschlossen sein muss, so dass folglich auch keine Fälligkeit eintreten kann.
Beispiel: Der Anwalt war beauftragt, die durch Urteil titulierte Forderung in Höhe von 12.000 EUR beizutreiben. Er hat daraufhin eine Gehaltspfändung erwirkt, wonach der Arbeitgeber des Schuldners beginnend mit Dezember 2017 monatlich den pfändungsfreien Betrag i.H.v. 100 EUR abführt.
Der Anwalt darf seine Vergütung bereits aus der ersten Rate entnehmen, da die Teilzahlungen zunächst auf die Kosten zu verrechnen sind (§ 367 Abs. 1 BGB). Da die Vollstreckungsangelegenheit aber bis zur Befriedigung des Gläubigers fortdauert (§ 18 Abs. 1 Nr. 1), wird der Vergütungsanspruch erst mit Zahlung der letzten Rate fällig. Sofern der Anwalt also von seinem Entnahmerecht keinen Gebrauch macht, kann er auch später noch seine Vergütung einfordern. Würde man der Gegenauffassung von Hansens und Mayer folgen, wäre zum 1.1.2021 Verjährung eingetreten, obwohl die Vollstreckung noch andauert.