Rz. 45
Die Tätigkeit im Vergabenachprüfungsverfahren (§§ 97 ff. GWB) vor der Vergabekammer ist nach VV 2300 zu vergüten. Früher war umstritten, ob dies auch dann galt, wenn der Anwalt schon im Vergabeverfahren tätig war oder ob er in diesem Fall nur eine Geschäftsgebühr aus dem reduzierten Rahmen von VV 2301 a.F. erhielt.
Der BGH hatte sich in seiner Entscheidung vom 23.9.2008 der zweiten Meinung angeschlossen, wobei die Begründung kaum geeignet war, den bestehenden Meinungsstreit zu beenden: Der BGH stützte seine Argumentation maßgeblich auf § 128 Abs. 4 S. 3 GWB, wonach sich die Kostenerstattung bei Anrufung der Vergabekammer nach § 80 VwVfG bzw. den entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder richtet. Aus diesem Verweis in § 128 Abs. 4 S. 3 GWB folgerte der BGH, dass angesichts der Gleichsetzung des vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens mit dem verwaltungsrechtlichen Widerspruchsverfahren die speziellen Gebührenregelungen des Widerspruchsverfahrens auch für das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren gelten müsse. Dabei sei unerheblich, ob im Vergabeverfahren tatsächlich ein Verwaltungsakt ergehe, der im Nachprüfungsverfahren überprüft werde. Unerheblich sei ferner, ob dem Anwalt die vorausgegangene Tätigkeit im Vergabeverfahren im späteren Nachprüfungsverfahren im gleichen Maße zugute komme, wie dies im Verhältnis von Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren der Fall sei.
Rz. 46
Aufgrund der Änderung von VV Vorb. 2.3 durch das 2. KostRMoG stellt sich dieses Problem nun unter etwas anderen Vorzeichen: Der vorangegangenen Tätigkeit des Anwalts im Verwaltungsverfahren wird nunmehr nicht mehr mit einer geringeren Geschäftsgebühr für das Nachprüfungsverfahren (VV 2301 a.F.), sondern durch eine Anrechnungsregelung in VV Vorb. 2.3 Abs. 4 Rechnung getragen. Eine solche Anrechnung findet aber nur statt, wenn wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr für eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren entstanden ist. Insofern kommt es auch weiterhin – nun im Rahmen der Anrechnung – auf die Frage an, ob es sich beim Vergabeverfahren um ein Verwaltungsverfahren i.S.d. VV Vorb. 2.3 handelt.
Die vom BGH angeführte Begründung überzeugt nicht. Die Regelung in § 80 VwVfG, auf die § 128 Abs. 4 S. 3 GWB Bezug nimmt, bestimmt lediglich, dass der im Widerspruchsverfahren Obsiegende seine notwendigen Aufwendungen erstattet erhält und dass die Kosten eines Anwalts erstattungsfähig sind, wenn seine Zuziehung notwendig war. Die Frage der Erstattungsfähigkeit von Kosten besagt aber nichts darüber, welche Gebühren für den Anwalt zunächst einmal entstanden sind. Ebenso wenig kann man beispielsweise die Frage, welche Anwaltsgebühren im Zivilprozess entstanden sind, aus der Erstattungsregelung in § 91 ZPO ableiten. Die Frage, welche konkreten Gebühren für einen im Widerspruchsverfahren tätigen Anwalt entstehen, wird in § 80 VwVfG gerade nicht beantwortet – schon aus diesem Grund kann man die Geltung bestimmter Gebührentatbestände für das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren nicht auf diese Verweisung stützen. Der Verweis in § 128 Abs. 4 S. 3 GWB besagt demnach nur, dass die dem Anwalt im Nachprüfungsverfahren tatsächlich entstandenen Kosten ggf. auf einen bestimmten Betrag begrenzt werden müssen (nämlich auf die notwendigen Kosten), soweit eine Erstattung vom Gegner verlangt wird.
Rz. 47
Kann damit für die Frage der Entstehung der Gebühren nicht auf § 128 Abs. 4 S. 3 GWB i.V.m. § 80 VwVfG zurückgegriffen werden, sind – wie üblich – die Gebührentatbestände des Vergütungsverzeichnisses maßgeblich. Insofern ist – entgegen der Ansicht des BGH – von entscheidender Bedeutung, ob das Vergabeverfahren ein Verwaltungsverfahren i.S.v. VV Vorb. 2.3 Abs. 4 ist. Gerade der Verweis in § 128 Abs. 4 S. 3 GWB auf die Erstattungsregelungen des Verwaltungsrechts ist ein erstes und wichtiges Indiz dafür, dass dies nicht der Fall ist. Denn wäre das Vergabeverfahren ohne Weiteres als "klassisches" Verwaltungsverfahren einzustufen, hätte es einer solchen Verweisung nicht bedurft. Daneben ist weiter zu berücksichtigen, dass im Vergabeverfahren eben kein Verwaltungsakt ergeht, sondern zivilrechtliche Verträge mit den Bietern geschlossen werden. Insofern handelt es sich nicht um ein Verwaltungsverfahren, sondern um ein vorvertragliches Auswahlverfahren sui generis, mit dem der Staat im Rahmen des privaten Wirtschaftsrechts Beschaffungstätigkeit durchführt.
Rz. 48
Will man eine analoge Anwendung von VV Vorb. 2.3 Abs. 4 auf das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren in Betracht ziehen, so müsste zumindest der gesetzgeberische Zweck dieser Vorschrift erfüllt sein. Gemäß § 17 Nr. 1a sind das Verwaltungsverfahren und das anschließende Nachprüfungsverfahren gebührenrechtlich verschiedene Angelegenheiten. Der vom Gesetzgeber intendierte gebührenrechtliche Ausgleich – sei es durch eine geringere Gebühr für das Nachprüfungsverfahren, sei es durch eine Anrechnung – soll dem Umstand Rechnung tragen, dass der Anwalt eine Tätigkeit ...