a) Allgemeines
Rz. 86
Der Gegenstandswert der Verfahrensgebühr richtet sich immer nach dem in der Instanz erreichten höchsten Wert, hinsichtlich dessen der Rechtsanwalt beauftragt ist. Bei einer Festsetzung des Wertes durch das Gericht ist dieser Wert für die Gebühren des Rechtsanwalts gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 maßgeblich, soweit der Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens sich mit dem dem Rechtsanwalt erteilten Auftrag deckt. Ist dies nicht der Fall, muss der Anwalt die gesonderte Festsetzung des Wertes für die Anwaltsgebühren beantragen (§ 33 Abs. 1).
Beispiel: Anwalt R soll im Auftrag des B den Schuldner S auf Zahlung von 10.000 EUR verklagen. Vor Klageeinreichung zahlt S einen Teilbetrag von 4.000 EUR.
Der Wert des gerichtlichen Verfahrens beträgt damit nur 6.000 EUR. Da R für seine Tätigkeit eine 1,3-Verfahrensgebühr aus 6.000 EUR sowie eine 0,8-Verfahrensgebühr aus 4.000 EUR erhält (insgesamt gemäß § 15 Abs. 3 begrenzt auf eine 1,3-Verfahrensgebühr aus 10.000 EUR) muss er eine ergänzende Wertfestsetzung für die Anwaltsgebühren beantragen.
Rz. 87
Eine nachträgliche Verringerung des Gegenstandswertes lässt die einmal entstandene Verfahrensgebühr nach dem höchsten Wert unberührt. Daher ist z.B. für die Berechnung der Verfahrensgebühr einer gegen den Schuldner vor Insolvenzeröffnung eingereichten Leistungsklage allein der Gegenstandswert dieser Leistungsklage und nicht der geringere Wert der nachfolgenden Feststellungsklage maßgeblich. Diejenigen Gebühren, die erst nach der Verringerung des Gegenstandswertes entstehen, berechnen sich natürlich aus dem reduzierten Wert. Für den Klageabweisungsantrag ist der Wert der Hauptsache maßgeblich; für den Antrag nach § 269 Abs. 4 ZPO der Wert der Kosten.
b) Erledigung
Rz. 88
Bei der Frage, wie sich eine Erledigung des Rechtsstreits auf die anwaltliche Verfahrensgebühr auswirkt, ist zu differenzieren: Wird die Erledigung im Termin erklärt, so ist die Verfahrensgebühr für beide Anwälte bereits aus dem vollen Wert der Hauptsache entstanden und kann durch die nachträgliche Verringerung des Gegenstandswertes nicht mehr beeinflusst werden.
Rz. 89
Erfolgt eine schriftsätzliche Erledigungserklärung vor dem Termin, so bleibt die für den Anwalt des Klägers bereits entstandene Verfahrensgebühr aus dem vollen Wert davon unberührt. Ob für den Anwalt des Beklagten noch eine Verfahrensgebühr aus dem vollen Wert entsteht, hängt davon ab, wie sein Auftrag lautete. War er beispielsweise nur beauftragt, den Beklagten nach erfolgter Erledigungserklärung gegen die Kostenlast zu verteidigen, entsteht die Verfahrensgebühr nur aus dem Kostenwert, ansonsten aus dem vollen Hauptsachewert.
Rz. 90
Nach einer Entscheidung des OLG Düsseldorf erhält der Anwalt des Beklagten dann die 1,3-Verfahrensgebühr nach dem ursprünglichen Wert der Hauptsache, wenn er rät, einen Teilbetrag zu bezahlen, und der Beklagte diesem Rat folgt. Maßgebend für die Höhe der Gebühr seien der Gegenstand, auf den sich der Auftrag beziehe, und der konkrete Wert dieses Gegenstands im Zeitpunkt der Entstehung der Gebühr. Der Streitwert reduziere sich erst mit der Abgabe der Erledigungserklärungen um den bezahlten Betrag, bei Erledigung der Hauptsache werde der Gegenstand also durch die übereinstimmende Erklärung der Parteien und nicht schon durch die tatsächliche Erledigung auf das Kosteninteresse reduziert. Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Die Verfahrensgebühr berechnet sich also grundsätzlich nach dem Wert der Klage, solange nicht zum Zeitpunkt der Erteilung des Auftrags an den Rechtsanwalt die Klage bereits (teilweise) rechtswirksam zurückgenommen worden ist. Wird im Termin die Hauptsache teilweise für erledigt erklärt, ändert dies also nichts daran, dass die Verfahrensgebühr nach dem vollen Gegenstandswert der Klage zu berechnen ist.
Rz. 91
Dies gilt sowohl für den Rechtsanwalt des Beklagten als auch für den Rechtsanwalt des Klägers. Hat also der Mandant den Prozess zunächst selbst oder durch einen anderen Rechtsanwalt geführt, erhält der später zum Prozessbevollmächtigten bestellte Rechtsanwalt eine volle Verfahrensgebühr auch dann nach dem vollen Wert der anhängigen Klage, wenn er die – vollständige oder teilweise – Erledigung der Hauptsache anzeigt.
Der Anwalt des Beklagten erhält die Verfahrensgebühr auch dann aus dem vollen Wert der Hauptsache, wenn er im Anschluss an eine außergerichtliche Erledigung der Hauptsache mit einem Antrag nach § 91a ZPO erstmals dem Gericht gegenüber tätig wird. Denn der Gegenstand des Rechtsstreits wird erst durch die übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien reduziert und nicht schon durch die tatsächliche Erledigung.
Rz. 92
Gleiches gilt im Innenverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant, wenn der Anwalt erst nach teilweiser Tilgung der Klageforderung mit der Ankündigung eines entsprechend verminderten Klageantrags einschließlich d...