a) Allgemeines
Rz. 134
Nach Abs. 3 S. 3 Nr. 1 lässt auch die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins eine volle Terminsgebühr i.H.v. 1,2 gemäß VV 3104 anfallen. Der Sachverständige ist in zivilprozessualer Hinsicht verpflichtet, die Parteien bei seiner Arbeit, d.h. z.B. bei Besichtigungen oder Befragungen, grundsätzlich beizuziehen. Hauptanwendungsgebiet in der Praxis sind die Ortsbesichtigungen, die Sachverständige zur Erstattung ihres Gutachtens durchführen. Nimmt der Rechtsanwalt an einem solchen vom Sachverständigen anberaumten Termin teil, so erwächst ihm die Terminsgebühr nach VV 3104 ebenso wie bei der Teilnahme an einem Termin mit dem Gericht.
Rz. 135
Es muss sich um den Termin eines gerichtlich bestellten Sachverständigen handeln, also um einen Sachverständigen, der durch Beweisbeschluss bestellt wurde. Die Teilnahme an der Ortsbesichtigung oder einem sonstigen Termin eines Privatgutachters reicht nicht aus. Ist der Sachverständige nach § 273 Abs. 2 Nr. 4 ZPO terminvorbereitend geladen und führt er zur Vorbereitung des Gerichtstermins eine Ortsbesichtigung durch – in der Praxis insbesondere häufig bei Verkehrsunfallsachen – so erhält der Anwalt für seine Teilnahme an dieser Ortsbesichtigung keine Terminsgebühr. Denn die gerichtliche Bestellung des Sachverständigen kann frühestens im anschließenden Verhandlungstermin erfolgen.
b) Wahrnehmung
Rz. 136
Während früher das Gesetz in Abs. 3 a.F. bei dem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin von einer "Vertretung" durch den Rechtsanwalt sprach, während bei dem von einem Sachverständigen anberaumten Termin von einer "Wahrnehmung" eines solchen Termins durch den Rechtsanwalt die Rede war, sollte dadurch keine unterschiedliche Tätigkeitsqualität zum Ausdruck gebracht werden. Nunmehr ist im Rahmen der Neufassung der Abs. 3 einheitlich von der "Wahrnehmung" eines Termins die Rede. Die Formulierung "Mitwirkung" in Abs. 3 S. 3 Nr. 2 ist aus dem Grunde gewählt, weil an einer Besprechung schon begrifflich mitgewirkt und diese nicht wahrgenommen wird.
Rz. 137
Insoweit reicht es aus, dass der Anwalt zu Beginn des Termins anwesend ist. Er muss nicht die gesamte Zeit anwesend sein. So entsteht die Terminsgebühr auch dann, wenn der Prozessbevollmächtigte zu einem von einem Sachverständigen anberaumten Untersuchungstermin erscheint und an der Identifikation der zu untersuchenden Person – des Verfahrensgegners – teilnimmt, jedoch bei der eigentlichen medizinischen Untersuchung nicht mehr anwesend ist.
Rz. 138
Der Wahrnehmung dieser Termine ist gebührenrechtlich eine nicht unerhebliche Bedeutung beizumessen. Denn in der Praxis geschieht es nicht selten, dass das Gericht eine Beweisaufnahme nach § 358a ZPO anordnet und der Kläger die Klage bei einem für ihn ungünstigen Ergebnis der Beweiserhebung schon vor einem Verhandlungstermin zurücknimmt. Hat der Rechtsanwalt des Beklagten an der Beweisaufnahme nicht teilgenommen, erwächst ihm nur die Verfahrensgebühr nach VV 3100. Dieses Ergebnis kann er vermeiden, indem er an dem vom Sachverständigen anberaumten Termin teilnimmt, wodurch ihm bereits die volle Terminsgebühr i.H.v. 1,2 nach VV 3104 erwächst.
Rz. 139
Alternativ ist denkbar, dass der Rechtsanwalt mit dem Prozessbevollmächtigten des Klägers bespricht, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen dieser den Rechtsstreit angesichts des Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht durch eine Klagerücknahme beenden will. Auch hierdurch entsteht eine Terminsgebühr i.H.v. 1,2 nach VV 3104 i.V.m. Abs. 3, da es sich bei einem solchen Gespräch um eine Mitwirkung "an Besprechungen, die auf die ... Erledigung des Verfahrens gerichtet sind" handelt.