a) Allgemeines

 

Rz. 378

Der Streitwert des Vorverfahrens ist identisch mit dem des Nachverfahrens, wenn der gesamte ursprünglich geltend gemachte Anspruch im Nachverfahren weiter verfolgt wird. Er vermindert sich auch nicht, wenn der Beklagte im Nachverfahren nur wegen eines Teils Klageabweisung beantragt, da der Rechtsstreit verfahrensrechtlich eine Einheit bildet und gemäß § 600 Abs. 1 ZPO in vollem Umfang im ordentlichen Verfahren anhängig ist.[410]

 

Rz. 379

Das Nachverfahren bildet mit dem Urkundenprozess eine Einheit, wobei für die Bestimmung des Streitgegenstandes und damit für den Streitwert immer nur der Antrag des Klägers maßgeblich ist. Dagegen sind Anträge des Beklagten für den Umfang des Streitgegenstandes ohne Bedeutung. Ging also der Antrag des Klägers dahin, das Vorbehaltsurteil für vorbehaltlos zu erklären, ist der Verhandlungsgebühr des Nachverfahrens der Streitwert des Urkundenprozesses zugrunde zu legen.

[410] OLG München MDR 1987, 766; Riedel/Sußbauer/Ahlmann, RVG, VV Teil 3 Abschnitt 1 Rn 15; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, VV 3100 Rn 264 ff.; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, Rn 5568; Zöller/Herget, ZPO, § 3 Rn 16 Stichwort "Nachverfahren".

b) Anträge im Nachverfahren über Teilbeträge

 

Rz. 380

Anders ist es jedoch zu bewerten, wenn beide Parteien im Nachverfahren nur Anträge über Teilbeträge stellen, die Klage also z.B. teilweise zurückgenommen wird. Die weiteren Gebühren entstehen den Prozessbevollmächtigten dann nur aus dem Wert, der noch Gegenstand des Verfahrens bzw. bei Aufruf der Sache noch anhängig ist. Die Verfahrensgebühr aus dem Streitwert des Vorverfahrens wird nur insoweit angerechnet, als der Gegenstand des Vorverfahrens in das Nachverfahren übergegangen ist. Da bei einer Verminderung des Gegenstandswertes im Nachverfahren die Verfahrensgebühr des Urkundsverfahrens immer höher ist, kann aufgrund der Anrechnung keine Verfahrensgebühr für das Nachverfahren verbleiben.

 

Beispiel: Der Kläger klagt in einem Urkundenprozess 15.000 EUR ein. Im Termin erkennt der Beklagte 5.000 EUR an. Über die Restsumme von 10.000 EUR wird verhandelt. Auf Antrag des Klägervertreters ergeht ein Vorbehalts- und Teilanerkenntnisurteil. Im Nachverfahren reduziert der Kläger sein Klagebegehren von 10.000 EUR auf 5.000 EUR. Nach mündlicher Verhandlung ergeht ein Endurteil.

I. Urkundenprozess (Wert: 15.000 EUR)

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100   933,40 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104   861,60 EUR
3. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.815,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   344,85 EUR
Gesamt   2.159,85 EUR

Die Terminsgebühr entsteht aus dem vollen Streitwert, da bei Aufruf der Sache noch kein Anerkenntnis des Beklagten und daher noch keine Reduzierung des Streitwertes erfolgt war.

II. Nachverfahren (Wert: 5.000 EUR)

 
1. 1,3-Verfahrengebühr, VV 3100   434,20 EUR
2. gem. VV Vorb. 3 Abs. 7 anzurechnen   – 434,20 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104   400,80 EUR
4. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 420,80 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   79,95 EUR
Gesamt   500,75 EUR
 

Rz. 381

Unerheblich ist es dagegen, wenn nur der Beklagte einen verminderten Klageabweisungsantrag stellt. Da das Vorbehaltsurteil seinem ganzen Umfang nach bestätigt werden muss, bleibt es bei dem ursprünglichen Wert.[411]

[411] LG Schweinfurt und LG Gießen AnwBl 1954, 88 f.

c) Streitwerterhöhung im Nachverfahren

 

Rz. 382

Bei der Frage, ob sich Klageerweiterungen oder Widerklagen im Nachverfahren auf den Streitwert und damit auf die Verfahrensgebühr auswirken, ist zu differenzieren:

Verlangt der Beklagte im Nachverfahren neben der Aufhebung des Vorbehaltsurteils und der Klageabweisung auch die Erstattung der Kosten des Urkundenprozesses oder die Rückzahlung des auf der Grundlage des Vorbehaltsurteils Geleisteten, so bleiben diese Beträge bei der Berechnung des Gegenstandswertes außer Ansatz.[412] Insofern berechnet sich die Verfahrensgebühr des Nachverfahrens nach demselben Wert wie die Verfahrensgebühr des Urkundenverfahrens.

 

Rz. 383

Wird dagegen im Nachverfahren eine nicht den gleichen Gegenstand betreffende Widerklage erhoben oder die Klage erweitert, kann eine Erhöhung des Streitwertes im Nachverfahren eintreten.

 

Rz. 384

Die Verfahrensgebühr des Urkunden- oder Wechselprozesses wird auf die im Nachverfahren entstehende Verfahrensgebühr angerechnet. Bei Identität des Gegenstandes im Nachverfahren kann der Rechtsanwalt sie im Ergebnis nur einmal berechnen. Erhöht sich jedoch der Streitwert durch Klageerweiterung im Nachverfahren oder durch Widerklage, erhöht sich auch die Verfahrensgebühr. Unter Anrechnung der Gebühr des Vorverfahrens kann der Rechtsanwalt den Unterschiedsbetrag noch fordern.

 

Rz. 385

Da die sonstigen Gebühren gesondert anfallen, eine Verrechnung mit den Gebühren des Vorverfahrens also nicht stattfindet, ergeben sich hier keine Besonderheiten. Die Gebühren des Nachverfahrens richten sich nach dem neuen – erhöhten oder auch verringerten – Streitwert.

 

Beispiel:[413] Der Kläger verlangt im Urkundenprozess einen Betrag von 10.000 EUR. Im Termin nimmt er vom Urkundenverfahren Absta...

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