I. Überblick
Rz. 312
Wird eine Sache in einem Verfahren nach VV Teil 3 vom Rechtsmittelgericht an ein untergeordnetes Gericht zurückverwiesen, so ist das weitere Verfahren vor dem Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat und das jetzt wieder nach Zurückverweisung mit der Sache befasst wird, nach § 21 Abs. 1 eine neue Angelegenheit. Es liegen also drei Angelegenheiten vor, nämlich
▪ |
das Verfahren vor Zurückverweisung, |
▪ |
das Rechtsmittelverfahren und |
▪ |
das Verfahren nach Zurückverweisung. |
Rz. 313
Nur im Falle einer Zurückverweisung nach § 21 Abs. 2 bilden das Verfahren vor Zurückverweisung und das Verfahren nach Zurückverweisung eine Angelegenheit.
Rz. 314
Soweit nach § 21 Abs. 1 das Verfahren nach Zurückverweisung eine neue Angelegenheit darstellt, wird die im Ausgangsverfahren entstandene Verfahrensgebühr auf die Verfahrensgebühr im Verfahren nach Zurückverweisung angerechnet. Dies ist jetzt in Abs. 6 geregelt. Der Anwalt kann daher seine Gebühren in dem weiteren Verfahren erneut berechnen. Auch die Verfahrensgebühr entsteht ein zweites Mal; sie wird allerdings in Angelegenheiten nach VV Teil 3 angerechnet, es sei denn, es ist an ein Gericht verwiesen worden, das mit der Sache noch nicht befasst war (Abs. 6) oder wenn mehr als zwei Kalenderjahre vergangen sind (§ 15 Abs. 5 S. 2); in diesem Fall verbleibt auch die zweite Verfahrensgebühr anrechnungsfrei bestehen. So klar und eindeutig diese Regelung in Abs. 6 auch scheint, birgt sie doch zahlreiche Probleme in sich.
II. Normalfall
Rz. 315
Keine Probleme ergeben sich, wenn gegen das gesamte erstinstanzliche Urteil ein Rechtsmittel eingelegt wird und das Rechtsmittelgericht das Verfahren insgesamt zurückverweist. In diesem Fall entstehen die Gebühren und auch die Postentgeltpauschale nach VV 7002 erneut. Das Ausgangsverfahren und das Verfahren nach Zurückverweisung sind stets wie zwei normale getrennte Prozesse abzurechnen:
Beispiel: Nach mündlicher Verhandlung wird der Beklagte dazu verurteilt, an den Kläger 700 EUR zu zahlen. Hiergegen legt der Beklagte beim LG Berufung ein. Das LG hebt das Urteil des AG auf und verweist die Sache an das AG zurück, das nach erneuter mündlicher Verhandlung und Beweisaufnahme die Klage abweist.
I. Ausgangsverfahren (Wert: 700 EUR)
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 |
|
114,40 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, VV 3104 |
|
105,60 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
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Zwischensumme |
240,00 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
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45,60 EUR |
Gesamt |
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285,60 EUR |
II. Verfahren nach Zurückverweisung (Wert: 700 EUR)
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 |
|
114,40 EUR |
2. |
gem. VV Vorb. 3 Abs. 6 anzurechnen (1,3 aus 700 EUR) |
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– 114,40 EUR |
3. |
1,2-Terminsgebühr, VV 3104 |
|
105,60 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
125,60 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
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23,86 EUR |
Gesamt |
|
149,46 EUR |
III. Gebührenänderung nach Zurückverweisung
1. Überblick
Rz. 316
Da es sich bei einem Verfahren nach Zurückverweisung um eine neue selbstständige Angelegenheit handelt, kann ein Wechsel des Gebührenrechts in Betracht kommen. Für jede Angelegenheit ist dann jeweils nach §§ 60, 61 zu prüfen, welches Gebührenrecht zur Anwendung kommt.
2. Übergang BRAGO/RVG
Rz. 317
Ist in einem vor dem 1.7.2004 eingeleiteten Verfahren, das sich nach der BRAGO richtet, das Verfahren nach dem 30.6.2004 vom Rechtsmittelgericht zurückverwiesen worden, so richten sich die Gebühren im Verfahren nach Zurückverweisung nach neuem Recht, wenn zwischenzeitlich eine Gesetzesänderung in Kraft getreten ist.
Rz. 318
Handelt es sich um ein Verfahren nach VV Teil 3, ist auch die Anrechnung zu beachten. Während für Verfahren nach VV Teil 3 die VV Vorb. 3 Abs. 6 vorsieht, dass die Verfahrensgebühr des Verfahrens vor Zurückverweisung auf die Verfahrensgebühr des Verfahrens nach Zurückverweisung angerechnet wird – es sei denn, es wird an ein Gericht zurückverwiesen, das mit der Sache noch nicht befasst war – sah die BRAGO vor, dass die Prozessgebühr erst gar nicht mehr erneut anfalle (§ 15 Abs. 1 BRAGO). Faktisch handelte es sich nach der BRAGO aber auch um eine Anrechnung, so dass hier im Übergangsfällen analog § 15 Abs. 1 BRAGO die BRAGO-Prozessgebühr auf die RVG-Verfahrensgebühr angerechnet wird.
Beispiel: Das Verfahren aus dem Jahr 2003 (Wert: 5.000 EUR) wurde im August 2006 vom Berufungsgericht an das Ausgangsgericht zurückverwiesen, vor dem dann erneut verhandelt worden ist.
I. Verfahren vor der Zurückverweisung
1. |
10/10-Prozessgebühr, § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO |
|
301,00 EUR |
2. |
10/10-Verhandlungsgebühr, § 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO |
|
301,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, § 26 S. 2 BRAGO |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
622,00 EUR |
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4. |
16 % Umsatzsteuer, § 25 Abs. 2 BRAGO |
|
99,52 EUR |
Gesamt |
|
721,52 EUR |
II. Verfahren nach der Zurückverweisung (RVG)
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100 |
|
434,20 EUR |
2. |
gem. VV Vorb. 3 Abs. 6 anzurechnen |
|
– 301,00 EUR |
3. |
1,2-Terminsgebühr, VV 3104 |
|
400,80 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
554,00 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
105,26 EUR |
Gesamt |
|
659,26 EUR |
Rz. 319
Entsprechendes gilt auch dann, wenn ei...