I. Allgemeines
Rz. 8
Die Gebühren nach den VV 4300 ff. können in derselben Strafsache mehrmals anfallen. Jede Einzeltätigkeit ist eine eigene Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 1 (Ausnahme: Anm. zu VV 4300; Anm. zu VV 4301). Insbesondere fällt auch jeweils eine eigene Postentgeltpauschale nach VV 7002 an.
Beispiel: Der Anwalt erhält zunächst den Auftrag, die vom Verurteilten selbst eingelegte Berufung zu begründen. Später erhält er den Auftrag, an einer Zeugenvernehmung vor dem ersuchten Richter eines auswärtigen Gerichts teilzunehmen.
Der Anwalt erhält jeweils eine Gebühr nach VV 4301 Nr. 2 und VV 4301 Nr. 4 nebst Postentgeltpauschale. Auszugehen sein soll nach § 14 Abs. 1 jeweils von einer überdurchschnittlichen Gebühr (Mittelgebühr um 20 % erhöht). Insgesamt erhält er gemäß VV Vorb. 4.3 Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 15 Abs. 6 jedoch nicht mehr als eine Gebühr nach VV 4301.
Entstanden sind folgende Gebühren:
I. Begründung der Berufung
1. |
Gebühr nach VV 4301 Nr. 2 |
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330,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
350,00 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
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66,50 EUR |
Gesamt |
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416,50 EUR |
II. Terminswahrnehmung
1. |
Gebühr nach VV 4301 Nr. 4 |
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330,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
350,00 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
|
66,50 EUR |
Gesamt |
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416,50 EUR |
Gesamt I + II |
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833,00 EUR |
Rz. 9
Zu beachten ist allerdings VV Vorb. 4.3 Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 15 Abs. 6. Der Anwalt darf für die verschiedenen Einzeltätigkeiten nie mehr an Gebühren erhalten, als er erhalten würde, wenn er mit der gesamten Tätigkeit beauftragt worden wäre.
Fortsetzung des Beispiels: Wäre der Anwalt von vornherein mit der Gesamtvertretung beauftragt, so hätte er nach VV 4124 eine Gebühr i.H.v. bis zu 616 EUR erhalten können. Die Grenze des § 15 Abs. 6 ist hier überschritten, so dass der Anwalt nicht mehr als 616 EUR zuzüglich der beiden Postentgeltpauschalen abrechnen darf.
Rz. 10
Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass jede Einzeltätigkeit eine eigene Angelegenheit darstellt, enthalten die Anm. zu VV 4300 und Anm. zu VV 4301. Die Einlegung der Berufung oder Revision sowie deren Begründung sind jeweils eine einzige Angelegenheit.
Beispiel: Der Anwalt wird zunächst nur beauftragt, Berufung einzulegen. Später erhält er den Auftrag, die Berufung zu begründen.
Der Anwalt hat zunächst die Gebühr nach VV 4302 Nr. 1 verdient. Später ist die Gebühr nach VV 4301 Nr. 2 entstanden, die auch die Einlegung des Rechtsmittels miterfasst (Anm. zu VV 4301). Der Anwalt erhält daher nur eine Gebühr nach VV 4301 Nr. 2.
Rz. 11
Eine weitere Einschränkung enthält VV Vorb. 4.3 Abs. 4. Danach sind die Gebühren der VV 4300 ff. auf nachfolgende Gebühren anzurechnen, wenn der Anwalt anschließend mit der Verteidigung des Beschuldigten oder mit der Vertretung eines Privat- oder Nebenklägers oder sonstigen Beteiligten i.S.d. VV Vorb. 4 Abs. 1 insgesamt beauftragt wird (siehe Rdn 38).
II. Grundsatz: Eigene Angelegenheiten (Abs. 3 S. 1)
Rz. 12
VV Vorb. 4.3 Abs. 3 S. 1 enthält den Grundsatz, dass jeder Einzelauftrag nach VV 4300 ff. grundsätzlich auch eine eigene Angelegenheit i.S.d. § 15 darstellt (Ausnahme: Anm. zu VV 4300; Anm. zu VV 4301) (siehe Rdn 15 ff.). Hieraus wiederum folgt, dass der Anwalt nicht nur mehrere Gebühren nach VV 4300, 4301, 4302 erhalten kann, sondern auch mehrere Gebühren nach derselben Vorschrift oder sogar derselben Nummer einer Vorschrift.
Beispiel: Der Anwalt wird damit beauftragt, Berufung einzureichen. Später erhält er den Auftrag, ein Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden der Berufungskammer zu fertigen.
Für die Einlegung des Rechtsmittels erhält der Anwalt die Gebühr nach VV 4302 Nr. 1. Für das Ablehnungsgesuch erhält er eine weitere Gebühr nach VV 4302 Nr. 2.
Rz. 13
Ob mehrere Aufträge vorliegen oder nur ein Auftrag, ist stets im Einzelfall zu prüfen. So können trotz eines einheitlichen Auftrags mehrere Angelegenheiten vorliegen. Umgekehrt kann trotz mehrerer Aufträge insgesamt nur eine Angelegenheit gegeben sein.
Beispiel 1: Der Anwalt wird beauftragt, vor dem ersuchten Richter des auswärtigen Gerichts an einer Zeugenvernehmung teilzunehmen. Später ergibt sich im Verlaufe des Verfahrens, dass der Zeuge ergänzend befragt werden muss. Der Anwalt erhält den Auftrag, auch an diesem zweiten Termin teilzunehmen.
Der Anwalt hat hier zwar mehrere Aufträge erhalten. Da der Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit und der innere Zusammenhang jedoch der gleiche ist, liegt hier nur eine Angelegenheit nach VV 4301 Nr. 4 vor. Es ist ein Fall des § 15 Abs. 5 gegeben. Der Anwalt erhält die Vergütung insgesamt nur einmal, es sei denn, zwischen beiden Terminen liegen mehr als zwei Kalenderjahre (§ 15 Abs. 5 S. 2) oder die Termine finden in verschiedenen Instanzen statt, wozu auch der Fall des § 21 Abs. 1 zählt.
Beispiel 2: Der Geschädigte beauftragt einen Rechtsanwalt, gegen einen in München wohnenden Dieb und gegen einen in Hamburg wohnenden Betrüger Anzeige zu erstatten.
Ungeachtet des einheitlichen Auftrags liegen zwei Angelegenheiten nach VV 4302 Nr. 2 vor, da weder ein einheitlicher Rahmen ...