I. Erstattung im Strafverfahren
1. Der Anwalt wird anstelle des Verteidigers, Vertreters oder Beistands tätig
Rz. 43
Unter den Voraussetzungen, unter denen die Vergütung eines Vollverteidigers oder eines Privat- oder Nebenklagevertreters oder -beistands oder eines Vertreters oder Beistands eines sonstigen Beteiligten i.S.d. VV Vorb. 4 Abs. 1 erstattungsfähig wäre, ist auch die Vergütung des nur mit Einzeltätigkeiten beauftragten Anwalts in voller Höhe zu erstatten.
2. Der Anwalt wird neben dem Verteidiger, Vertreter oder Beistand tätig
Rz. 44
Ist neben dem Vollverteidiger oder dem Privat- oder Nebenklagevertreter ein weiterer Anwalt tätig, sei es als Verkehrsanwalt oder als Vertreter in einer Beweisaufnahme oder mündlichen Verhandlung, so sind die Kosten dieses weiteren Anwalts insoweit erstattungsfähig, als hierdurch Kosten des Verteidigers erspart worden sind.
Beispiel: Das Strafverfahren findet vor dem AG Köln statt. Der Anwalt war im vorbereitenden Verfahren nicht tätig. Gemäß § 223 Abs. 1 StPO wird vor dem ersuchten Richter des AG München ein Zeuge vernommen. Hierfür beauftragt der Angeklagte einen dort ansässigen Anwalt. Nach Durchführung der Hauptverhandlung wird der Angeklagte freigesprochen.
Entstanden sind folgende Gebühren:
I. Verteidiger
1. |
Grundgebühr, VV 4100 |
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220,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, VV 4106 |
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181,50 EUR |
3. |
Terminsgebühr, VV 4108 |
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302,50 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
724,00 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
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137,56 EUR |
Gesamt |
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861,56 EUR |
II. Terminsanwalt
1. |
Gebühr nach VV 4301 Nr. 4 |
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275,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
|
20,00 EUR |
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Zwischensumme |
295,00 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
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56,05 EUR |
Gesamt |
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351,05 EUR |
Gesamt I + II |
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1.212,61 EUR |
Hätte der Kölner Verteidiger an dem Termin in München selbst teilgenommen, so wäre folgende Vergütung entstanden:
1. |
Grundgebühr, VV 4100 |
|
220,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, VV 4106 |
|
181,50 EUR |
3. |
Terminsgebühr, VV 4102 |
|
187,00 EUR |
4. |
Terminsgebühr, VV 4108 |
|
302,50 EUR |
5. |
Fahrtkosten, VV 7003, Köln – München und zurück, 2 x 575 km x 0,42 EUR/km |
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483,00 EUR |
6. |
Abwesenheitspauschale, VV 7005 Nr. 3 (über 8 Stunden) |
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80,00 EUR |
7. |
Postentgeltpauschale, VV 7002 |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.474,00 EUR |
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8. |
19 % Umsatzsteuer, VV 7008 |
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280,06 EUR |
Gesamt |
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1.754,06 EUR |
Durch die Einschaltung des Terminsanwalts sind also die höheren Kosten eines Verteidigers erspart worden, so dass die tatsächlich angefallenen Kosten in voller Höhe erstattungsfähig sind.
3. Der Anwalt wird in eigener Sache tätig
Rz. 45
Wird der Anwalt in eigener Sache tätig, so ist nach h.M. eine Kostenerstattung ausgeschlossen (siehe VV Vorb. 4 Rdn 127). Soweit man eine Erstattungspflicht analog § 464b Abs. 1 Nr. 2 StPO i.V.m. § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO befürwortet, ist dann auch eine Gebühr nach den VV 4300 ff. zu erstatten, sofern die entsprechende Gebühr eines Verteidigers erstattungsfähig wäre.
Beispiel: Der Anwalt legt gegen seine eigene Verurteilung selbst Revision ein und begründet diese. Das Revisionsgericht spricht ihn frei und legt die Kosten und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse auf.
Der Anwalt kann eine Gebühr nach VV 4300 Nr. 1 erstattet verlangen.
II. Erstattung im Zivilverfahren
Rz. 46
Die Kosten einer Strafanzeige (VV 4302 Nr. 2) können darüber hinaus im Rahmen eines Zivilrechtsstreits erforderlich und damit als Vorbereitungskosten festsetzbar sein, nämlich dann, wenn die Erstattung der Strafanzeige notwendig war, um den entsprechenden zivilrechtlichen Anspruch durchzusetzen. Insoweit besteht aber auch die Möglichkeit, die durch die Strafanzeige entstandenen Kosten als materiell-rechtlichen Schadensersatzanspruch mit einzuklagen.
Beispiel: Das Fahrzeug des Mandanten ist bei einem Verkehrsunfall beschädigt worden. Der Unfallgegner ist flüchtig. Der Anwalt erstattet daraufhin namens seines Mandanten Strafanzeige wegen Verkehrsunfallflucht. Aufgrund dieser Anzeige gelingt es, das gegnerische Fahrzeug und den gegnerischen Fahrer zu ermitteln.
Der Geschädigte kann die Vergütung, die er dem Anwalt für die Strafanzeige nach VV 4302 zu zahlen hat, als materiell-rechtliche Schadensposition miteinklagen. Er kann stattdessen auch diese Kosten nach § 91 Abs. 1 ZPO zur Festsetzung anmelden.