Lotte Thiel, Dr. iur. Thomas Eder
Rz. 15
Allen Tatbeständen von Anm. S. 1 zu VV 1001, 1003, 1004 ist gemeinsam, dass eine Aussöhnung der Eheleute stattgefunden haben muss. Bei einer Aussöhnung muss der beiderseitige ernstliche Wille, die Ehe wieder aufzunehmen oder fortzusetzen, erkennbar sein. Dieser Vorgang ist nicht rechtlicher, sondern ausschließlich tatsächlicher Natur. Eine Aussöhnung der Eheleute i.S.v. Anm. S. 1 zu VV 1001, 1003, 1004 ist bei bereits eingereichtem Scheidungsantrag grundsätzlich dann anzunehmen, wenn die Anträge zurückgenommen werden. Die Antragsrücknahme lässt aber nicht in jedem Fall auf eine Aussöhnung schließen.
Rz. 16
Eine Aussöhnung ist nicht anzunehmen, wenn die Ehegatten nur aus finanziellen, steuerlichen oder gesellschaftlichen Gründen verheiratet bleiben, ohne die eheliche Gemeinschaft wieder aufzunehmen. Von einer Aussöhnung ist auch dann nicht auszugehen, wenn die Rücknahme des Antrags nur erfolgt, um der Drohung des Ehepartners, im Falle einer Scheidung belastende Tatsachen vorzutragen, entgegenzutreten. Ebenso reicht die Rücknahme des Scheidungsantrags nicht, wenn ein Ehegatte beabsichtigt, zu einem späteren – ihr im Hinblick auf Versorgungs- und Zugewinnausgleich günstigeren – Zeitpunkt den Scheidungsantrag erneut zu stellen.
Rz. 17
Allein objektiv erkennbare Umstände entscheiden darüber, ob es – wenigstens für kurze Zeit – zu einer Aussöhnung gekommen ist. Es reicht insoweit zwar aus, dass die Aussöhnung nur vorübergehend war, allerdings wird von der Rechtsprechung für die Annahme der Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft oder deren Aufnahme eine gewisse Dauer der Lebensgemeinschaft nach der Aussöhnung verlangt. Wann in dem vorgenannten Sinn von einer gewissen Dauer gesprochen werden kann, ist unklar. Das Gesetz verwendet den Begriff der "gewissen Dauer" überhaupt nicht, er entstammt der Rechtsprechung, die auf diese Weise zur Objektivierung des Begriffs der Aussöhnung beizutragen glaubt. Das Vorliegen der Voraussetzungen für das Entstehen der Aussöhnungsgebühr sollte aber nicht an konkrete Wochenangaben geknüpft, sondern vielmehr nach den gesetzlichen Kriterien bestimmt werden.
Rz. 18
Der Wortlaut der Anm. S. 1 zu VV 1001 spricht eindeutig gegen eine gewisse Dauer der Fortsetzung oder Wiederaufnahme der Lebensgemeinschaft als Voraussetzung für das Entstehen der Aussöhnungsgebühr. Offenbar hat der Gesetzgeber das Merkmal der "gewissen Dauer" bewusst nicht in VV 1001 aufgenommen, weil eine Einbeziehung nicht nur nicht praxisgerecht, sondern gar nicht durchführbar ist. Im Falle der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe würden sich die Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht erledigen können, weil sich die vermeintliche "Frist" der gewissen Dauer noch nicht vollendet hat. Die Argumentation zeigt, dass zeitliche Kriterien grundsätzlich nie für das Entstehen einer Gebühr herangezogen werden können und ausnahmsweise nur dann Regulativ sein könnten, wenn das Gesetz dazu eine ausdrückliche Bestimmung enthält. Das ist bei VV 1001 aber nicht der Fall. Dem Wortlaut des S. 1 der Anm. zu VV 1001 ist das Gegenteil zu entnehmen. Eine kurze Zeit der Fortsetzung und Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft löst bereits die Aussöhnungsgebühr nach VV 1001 aus, wenn sie nur von einem ernstlichen Willen der Eheleute getragen ist.
Rz. 19
Die Tatsache, dass die Beteiligten einige Wochen – und sei es auch nur während einer Urlaubsreise – als Eheleute wieder zusammengelebt haben, reicht deshalb regelmäßig für die Feststellung aus, dass die eheliche Gemeinschaft wieder aufgenommen worden ist. Die Wiederherstellung der häuslichen Gemeinschaft ist nicht erforderlich. Der Wortlaut der Anm. zu VV 1001 fordert allein die Fortsetzung oder Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft. M.E. kann die bloße Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft zur Erlangung (einkommen)steuerrechtlicher Vorteile für eine Aussöhnung und das Entstehen der Gebühr nach VV 1001 nicht ausreichend sein, da es insoweit an der Zielrichtung der Aussöhnung und am ernstlichen Willen fehlt.
Rz. 20
Hingegen reicht eine versuchsweise Aussöhnung nicht aus. Eine derartige versuchsweise Aussöhnung dokumentiert sich in der Regel im anwaltlichen Schriftwechsel, wobei indessen die Formulierung "man wolle es noch einmal versuchen" eine nur versuchsweise Aussöhnung nicht zwingend belegt. Ratsam ist es deshalb, derartige Formulierungen zu vermeiden und klarzustellen, dass die Eheleute einen Streit beigelegt und beendet und Frieden miteinander geschlossen und die eheliche Lebensgemeinschaft wiederaufgenommen haben.
Rz. 21
Es muss allerdings der beiderseitige ernstliche Wille vorhanden gewesen sein, die eheliche Lebensgemeinschaft wieder aufzunehmen oder fortzusetzen. Haben sich die Eheleute in diesem Sinne "ausgesöhnt", so hat der Rechtsanwalt die Gebühr nach Anm. S. 1 zu VV 1001, 1003, 1004 verdient, selbst wenn die tatsächliche Aussöhnung im Ergebnis nicht auf Dauer ist. Nach der Auffassung des OLG Hamburg ist es wenigstens ge...