Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
a) Jede Gebühr wird erhöht
Rz. 94
Erfüllt die Tätigkeit des gemeinsamen Anwalts die Tatbestände für mehrere Gebühren, die nach VV 1008 erhöhungsfähig sind, so ist jede dieser Gebühren zu erhöhen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Anwalt die Mandanten (vgl. dazu Rdn 71) in einer Strafsache im Ermittlungs- und im Hauptverfahren vertritt. Die Verfahrensgebühren VV 4104 und VV 4106 werden dann erhöht.
Rz. 95
Gleiches gilt für die Vertretung einerseits im Mahnverfahren (VV 3305) und zum anderen im folgenden Rechtsstreit (VV 3100). Beide Gebühren werden bei Erfüllung der Voraussetzungen von VV 1008 erhöht. Eine Ausnahme ergibt sich nur für die Verfahrensgebühr VV 3305 sowie die Verfahrensgebühr VV 3308, vgl. die Anm. zu VV 3308.
Rz. 96
Vertritt der Rechtsanwalt die Mandanten in einer Zivilsache zunächst außergerichtlich und anschließend in einem gerichtlichen Verfahren, erhöht sich sowohl die Geschäftsgebühr VV 2300, 2301 als auch die Verfahrensgebühr VV 3100. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Verwendung des Wortes "oder" in VV 1008. Denn die in VV 1008 benutzte Verknüpfung "oder" stellt zum Einen nur klar, welche Gebühren überhaupt erhöhungsfähig sind, nämlich die Gebühren, die im RVG als Geschäfts- oder Verfahrensgebühr bezeichnet werden. Nicht erhöhungsfähig sind daher z.B. die Einigungs-, Aussöhnungs- und Erledigungsgebühr, die Hebegebühr und die Grundgebühren nach VV 4100, 5100, 6200 (siehe dazu Rdn 82 ff.).
Rz. 97
Zum anderen bedeutet die Verwendung der Verknüpfung "oder" lediglich, dass in derselben Angelegenheit nur die eine oder die andere Gebühr erwachsen kann. Die Erhöhung sowohl der Geschäfts- als auch der Verfahrensgebühr ergibt sich auch daraus, dass VV 1008 den Mehraufwand des Anwalts vergüten soll, den dieser durch die Vertretung mehrerer Auftraggeber in derselben Angelegenheit hat. Vertritt der Anwalt daher in verschiedenen Angelegenheiten jeweils mehrere Auftraggeber, entsteht die Gebührenerhöhung in jeder der Angelegenheiten.
Rz. 98
Gegen eine Erhöhung nur einer der beiden Gebühren spricht auch die Gesetzessystematik. Denn VV 1008 regelt lediglich allgemein, bei welchen in den VV Teilen 2 bis 6 geregelten Gebühren eine Gebührenerhöhung überhaupt in Betracht kommt. Dort wird aber nicht geregelt, welche Gebührenerhöhungen andere Gebührenerhöhungen ausschließen. Nach Satz 2 der Anm. zu VV 3308 ist im Mahnverfahren eine Erhöhung der Verfahrensgebühr VV 3308 ausgeschlossen, wenn sich bereits die Gebühr VV 3305 erhöht (siehe auch Rdn 87 f.). Dies macht deutlich, dass der Gesetzgeber den Fall der Erhöhung bei zwei nacheinander anfallenden Gebühren durchaus gesehen und dies nur in VV 3308 ausgeschlossen hat. Hätte der Gesetzgeber daher die Gebührenerhöhung bei der Geschäftsgebühr VV 2300, 2301 und der nachfolgenden gerichtlichen Verfahrensgebühr ausschließen wollen, hätte er dies ausdrücklich z.B. in VV Vorb. 3 geregelt.
b) Anrechnung bei erhöhter Geschäftsgebühr, VV 2300
Rz. 99
Zu beachten sind aber die unterschiedlichen Anrechnungen. Während z.B. die nach VV 1008 (erhöhte) Verfahrensgebühr aus dem Mahnverfahren (VV 3305) stets insgesamt auf die (erhöhte) Verfahrensgebühr des Rechtsstreits angerechnet wird (Anm. VV 3305, 3307), gilt nach Vorb. 3 Abs. 4 eine Obergrenze für die Anrechnung der Geschäftsgebühr von 0,75 in allen Fällen und also auch dann, wenn diese Gebühr erhöht ist. Die Anrechnungsregelung z.B. in VV Vorb. 3 Abs. 4 unterscheidet nämlich nicht zwischen der Vertretung eines oder mehrerer Auftraggeber. Nach VV 1008 entsteht keine besondere "Erhöhungsgebühr", sondern ein einheitliche erhöhte Geschäftsgebühr, die der Anrechnung zugrunde zu legen ist (vgl. Rdn 3 f.). Weil eine einheitliche erhöhte Geschäftsgebühr entsteht, ist diese einheitliche Gebühr zur Hälfte, höchstens aber mit 0,75 auf die Verfahrensgebühr anzurechnen. Damit verdient der Anwalt die Erhöhung jenseits einer 1,5-Geschäftsgebühr doppelt.
Rz. 100
Allein diese Berechnung entspricht dem gesetzgeberischen Willen. Der Gesetzgeber weist in den Motiven zu dem am 1.8.2013 in Kraft getretenen 2. KostRMoG zu VV 1008 ausdrücklich darauf hin, dass sich mangels einer ausdrücklichen Regelung die Streitfrage geklärt haben dürfte, dass sich die Höchstgrenze für die Anrechnung der Geschäftsgebühr nach VV Vorb. 3 Abs. 4 bei mehreren Auftraggebern nicht erhöht. Sinn der Höchstgrenze sei es, ein Mehr an Umfang und Schwierigkeit der außergerichtlichen Tätigkeit auch nach einer Anrechnung angemessen zu entgelten. Erhöhe man die Anrechnungsgren...