Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
I. Problemstellung
Rz. 139
VV 1008 regelt als Gebührentatbestand einen Sonderfall der Mehrfachvertretung. Soweit es um Erstattungsfragen von allgemeiner Bedeutung geht, werden diese bei § 7 (siehe § 7 Rdn 70 ff.) besprochen. Im Zusammenhang mit VV 1008 soll nur die spezielle praxisrelevante Streitfrage erörtert werden, wie ein Verfahren mit Wertgebühren abzurechnen ist, in dem von zwei echten Streitgenossen der eine obsiegt und der andere unterliegt.
Rz. 140
Die Abrechnung von Verfahren, in denen Streitgenossen (teilweise) obsiegen, ist gesetzlich nicht geregelt. Das gilt schon für die Kostengrundentscheidung. Nach allgemeiner Meinung sind die Verfahrenskosten analog § 92 ZPO in der Weise zu quoteln, wie das Ergebnis des Verfahrens für die Streitgenossen unterschiedlich ausfällt. Das geschieht durchweg nach der sog. Baumbach’schen Formel sowohl bei einer echten Streitgenossenschaft (Gegenstandsidentität) als auch bei einer unechten Streitgenossenschaft (verschiedene Gegenstände; Beispiel siehe § 7 Rdn 96) sowie unabhängig davon, wie der einzelne Streitgenosse vertreten ist und welche tatsächlichen Kosten bei ihm angefallen sind.
Beispiel: G verklagt A und B als Gesamtschuldner auf Zahlung von 2.700 EUR. A lässt sich nicht vertreten und verliert; er hat keine Auslagen. B ist anwaltlich vertreten und gewinnt; er hat Terminreisekosten von 280 EUR.
Nach der Baumbach’schen Formel muss G die Kosten des B voll tragen, weil er insoweit verloren hat. Zwar hat er "zur Hälfte" obsiegt, weil er von A volle Zahlung verlangen kann. In Anwendung der Formel fallen ihm letztlich gleichwohl sämtliche außergerichtlichen Kosten der Gegenseite zur Last. Das ist jedoch sachgerecht. Würden ihm nach dem Gesamtergebnis die außergerichtlichen Kosten der Streitgenossen zur Hälfte auferlegt, bliebe B auf der Hälfte seiner Kosten sitzen, obwohl er voll gewonnen hat.
Rz. 141
Grds. bereitet eine Kostenverteilung nach der Baumbach’schen Formel keine Anwendungsprobleme. Werden die Streitgenossen allerdings durch einen gemeinsamen Anwalt vertreten, besteht Uneinigkeit darüber, wie dessen Vergütung als Kostenlast den einzelnen Streitgenossen mit Wirkung für und gegen die (teilweise) unterlegene Gegenpartei zuzuordnen ist. Bei der Ausfüllung der Kostengrundentscheidung ist darüber zu befinden, ob die Streitgenossen intern regeln können, wer von ihnen welchen Anteil der gemeinsamen Anwaltskosten zu tragen hat, und ob eine solche Absprache für den Gegner verbindlich ist.
Rz. 142
Diese Frage stellt sich bei jeder Mehrfachvertretung, weil es dort stets um gemeinsame Kosten und also um die Aufteilung derselben geht. Deshalb ist sie auch Gegenstand der Erörterung zu § 7 (siehe § 7 Rdn 73 ff.). Im Rahmen des VV 1008 erlangt sie allerdings besonderes Gewicht, weil die Fälle relativ häufig sind, dass mehrere mit unterschiedlichem Erfolg als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden.
II. Unterschiedliches Verfahrensergebnis für mehrere Gesamtschuldner
Rz. 143
Wie die Kosten des gemeinsamen Anwalts der Streitgenossen auf die einzelnen Schuldner zu verteilen sind, schreibt das Gesetz nicht vor. Eine derartige Norm wäre ein verfassungswidriger Eingriff in die grundrechtlich geschützte Privatautonomie. Der Gesetzgeber darf insoweit nur Hilfestellungen anbieten, falls für eine individuelle Regelung nichts ersichtlich ist. So wird der kopfteilige Innenausgleich nach § 426 BGB zutreffend als bloße Hilfsregel verstanden (siehe § 7 Rdn 60 ff.), die erst dann eingreifen kann, wenn sich kein anderweitiger Wille der Gesamtschuldner aufzeigen lässt. Wie zu § 7 (siehe § 7 Rdn 65 ff.) ausgeführt, entspricht es der Interessenlage aller Streitgenossen, dass derjenige unter ihnen mit dem höchsten Erstattungsanspruch gegen den (teilweise) kostentragungspflichtigen Gegner den größtmöglichen Anteil soll tragen müssen, um so das Prozesskostenrisiko aller Streitgenossen zu minimieren (siehe § 7 Rdn 87).
Rz. 144
Obsiegt nur einer von zwei echten Streitgenossen und meldet dieser nicht lediglich die Hälfte der gemeinsamen Anwaltskosten, sondern seinen vollen Haftungsanteil gem. § 7 Abs. 2 zur Festsetzung an, so ist davon auszugehen, dass er im Innenverhältnis zu dem unterlegenen Streitgenossen diese Kostenlast auch tragen soll. Das Erstattungsbegehren hat seine Kosten des Rechtsstreits zum Gegenstand, die als solche erstattungsfähig sind, soweit sie notwendig waren (§ 91 Abs. 1 S. 1).
Rz. 145
Anwaltskosten sind grds. zu erstatten (§ 91 Abs. 2 S. 1 ZPO). Dem Anspruch des obsiegenden Streitgenossen könnte jedoch entgegenstehen, dass er ihn unredlich erworben habe (§ 242 BGB), weil ihm von den gemeinsamen Anwaltskosten mehr zugeordnet worden sind, als das nach seiner wertmäßigen Beteiligung erforderlich gewesen wäre. Diese Kostenverteilung beurteilt sich jedoch nicht als missbräuchlich, sondern als konsequente Umsetzung einer zulässigen Gestaltungsfreiheit (im Einzelnen siehe § 7 Rdn 89 f.). Im allgemeinen Privatrecht gibt es keine Pflicht zur gleichmäßigen Risikoverteilung. Der unterlegene Gegner kann nicht darauf vertrauen, d...