Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
Rz. 23
Verstirbt der Auftraggeber des Rechtsanwalts, ohne dass es zu einer weiteren Beauftragung durch Rechtsnachfolger kommt, so hat der Anwalt weiterhin nur einen Vertragspartner. VV 1008 ist nicht anwendbar (vgl. Rdn 12), auch wenn der Rechtsanwalt nunmehr die Interessen mehrerer Erben wahrnimmt. Diese Fallgestaltung findet sich aber i.d.R. nur dort, wo die Erben unbekannt sind oder aus sonstigen Gründen keinen Kontakt zum Anwalt haben. Sind hingegen mindestens zwei Erben mit einer Fortsetzung der Vertretung des Nachlasses durch den Anwalt einverstanden, so wird darin jedenfalls seine schlüssige Beauftragung zu sehen sein, nunmehr die Interessen der Erben zu vertreten. Dann hat er mehrere Auftraggeber. Es kommt nicht auf die Anzahl der Geschäftsbesorgungsverträge an, damit es zu einer Erhöhung der Geschäfts- oder der Verfahrensgebühr kommt, sondern ausschließlich darauf, für wie viele Auftraggeber/Erben der Rechtsanwalt sodann tätig wird. Die Erben müssen den Auftrag gegenüber dem Rechtsanwalt auch nicht erneuern. Es kommt auch nicht darauf an, ob für den Anwalt hierdurch Mehrarbeit anfällt.
Rz. 24
Der Anwalt vertritt die Erben auch gemeinschaftlich und nicht etwa nur den Nachlass als Sondervermögen. Zwar liegt hier ebenso wie bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts eine gesamthänderische Bindung vor. Es fehlt jedoch an der zielgerichteten Bündelung von Einzelinteressen zum Wohle eines übergeordneten Ganzen (vgl. Rdn 16). Die Erbengemeinschaft ist keine Vereinigung von Personen, die sich aus eigenem Antrieb zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks (§ 705 BGB) zusammengefunden haben. Typischerweise hat der Anwalt es nicht mit einem homogenen Gebilde und klaren Willensbildungskonzept zu tun, sondern er sieht sich den jeweiligen Einzelinteressen der Erben ausgesetzt.
Rz. 25
Die Erbengemeinschaft ist weder rechtsfähig noch parteifähig. Die Grundsätze zur Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (Rdn 18 ff.) und zur Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sind also nicht auf die Erbengemeinschaft zu übertragen (Rdn 29 ff.).
Rz. 26
Die tatsächlichen Voraussetzungen für die Erhöhung der Gebühr liegen also grds. vor. Sie ist auch dann vorzunehmen, wenn die Regelgebühr schon vor dem Erbfall verdient war, da eine Gebühr mit jeder einschlägigen Tätigkeit erneut zur Entstehung gelangt. Voraussetzung für die Erhöhung einer Wertgebühr ist aber, dass die Erben (und ggf. der Erblasser) hinsichtlich desselben Streitgegenstands gemeinschaftlich beteiligt sind.
Rz. 27
Vertritt der Rechtsanwalt zunächst den Erblasser und nach dessen Tod die Erben, ist bei der Berechnung der Erhöhung der Erblasser als erster Auftraggeber mit zu berücksichtigen. Der Erblasser und die den Streit fortführenden Erben sind mehrere Auftraggeber, so dass sich für die Vertretung der Erben als weitere Auftraggeber die Verfahrensgebühr jeweils um 0,3 erhöht. Erblasser und Erbe werden dabei als gesonderte Auftraggeber gezählt (vgl. auch § 7 Rdn 30).
Rz. 28
Ausnahmsweise kann allerdings auch die anwaltliche Vertretung einer Erbengemeinschaft nicht als eine solche der einzelnen Erben, sondern als eine Vertretung der Gesamtheit (Einzelvertretung) anzusehen sein, wenn etwa das Unternehmen des Erblassers wie ein selbstständiges Rechtsgebilde in ungeteilter Erbengemeinschaft fortgeführt und vertreten wird. Dann finden die Grundsätze der Gesellschaft bürgerlichen Rechts Anwendung (vgl. Rdn 18 ff.), da sich die Entscheidung zur gemeinsamen Fortführung als besondere, den Einzelinteressen der Miterben übergeordnete Zweckrichtung des im Unternehmen gebundenen Gesamthandvermögens darstellt.