Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
Rz. 155
Die Regeln der Kostentragungspflicht sind sensibel. Sie gehören mit zur Streitkultur und werden in dieser Bedeutung von den Entscheidungsträgern oft unterschätzt. Während die Parteien der Kostenverteilung und Kostenfestsetzung häufig großes Gewicht beimessen, werden diese Aufgaben von den staatlichen Institutionen in aller Regel nur als lästig empfunden. Viele Versuche einer gütlichen Einigung scheitern letztlich an der Kostenregelung.
Rz. 156
Die Kostenlast des unterlegenen Gegners hat für die obsiegende Partei Genugtuungsfunktion. Dass der Gegner die Kosten tragen muss, gibt ihr eine Befriedigung dafür, zu Unrecht der gegnerischen Rechtsposition ausgesetzt gewesen zu sein. Einerseits gehört es zu den Schwächen eines Rechtsstaats, dass jedermann unberechtigte Angriffe führen oder sich unlauter verteidigen kann. Das bedarf zum anderen der Kompensation, wie sie mit der Kostenverteilung vorgesehen und in der Grundregel des § 91 Abs. 1 ZPO niedergelegt ist.
Rz. 157
Der obsiegenden Partei über die bestmögliche Kostenfreistellung Genugtuung zu verschaffen, ist Aufgabe des Anwalts. Mit einer Unterstützung durch die Entscheidungsträger kann er insoweit nicht rechnen. Deshalb sollte er sein Augenmerk besonders auf Erstattungsfragen richten und bemüht sein, bei einer Mehrfachvertretung eine Absprache der Streitgenossen herbeizuführen, die eine Minimierung des gemeinsamen Kostenrisikos bewirkt (siehe § 7 Rdn 120 ff.).
Rz. 158
Sollte der BGH nicht alsbald in seiner Gänze zu seiner früheren Rechtsprechung zurückfinden und den Streitgenossen bei einer Mehrfachvertretung wieder die Bewegungsfreiheit einräumen, die das Gesetz ihnen zur Absicherung ihres Kostenrisikos eröffnet, könnte in zweifelhaften Einzelfällen verstärkt die Beratung des Anwalts gefragt sein, ob eine Mehrfachvertretung überhaupt sinnvoll erscheint (siehe § 7 Rdn 111 ff.). Hat der Anwalt zunächst nur einen Auftraggeber in eigener Sache mit guten Erfolgsaussichten und ist nun darüber zu befinden, ob ein Streitgenosse mit schlechten Erfolgsaussichten von ihm ebenfalls vertreten werden soll, muss der Anwalt unter Umständen darauf hinweisen, dass die Begründung eines gemeinsamen Vertretungsverhältnisses dem (bisherigen) Mandanten nur Nachteile (z.B. Verlust an Vertraulichkeit), aber keinerlei Vorteile bringt. Ebenso können aus prozesstaktischen Erwägungen mehrere Einzelvertretungen durch ihn selbst oder durch verschiedene Anwälte vorzugswürdig erscheinen. Um nicht auch hier dem Vorwurf des Rechtsmissbrauchs ausgesetzt zu sein, sollte jedoch von Anbeginn auf eine klare Trennung der Vertretungsverhältnisse geachtet werden (siehe § 7 Rdn 117 ff.).