a) Überblick
Rz. 21
Der Auftrag muss ausschließlich zur Prüfung erteilt worden sein. Der Anwalt darf daher noch keinen unbedingten Prozess- oder Verfahrensauftrag für das Rechtsmittel erhalten haben. Anderenfalls wird seine Tätigkeit durch die entsprechende Verfahrensgebühr für das Rechtsmittelverfahren abgegolten, die auch die Beratung abdeckt (§ 19 Abs. 1 S. 1). Ein bedingter Auftrag schadet dagegen nicht (siehe Rdn 23). Im Einzelnen gilt Folgendes:
b) Zunächst Prüfungsauftrag – dann Rechtmittelauftrag
Rz. 22
Wird der Anwalt zunächst beauftragt, die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels zu prüfen und erhält er nach der Prüfung den Auftrag das Rechtsmittel einzulegen, dann ist die Sache eindeutig. Es liegen zwei Angelegenheiten i.S.d. § 15 vor. Der Anwalt erhält für die Prüfung die Gebühr der VV 2100 und für das Rechtsmittelverfahren die Verfahrensgebühr des Rechtsmittelverfahrens. Die Prüfungsgebühr ist auf die Verfahrensgebühr nach Anm. zu VV 2100 anzurechnen, soweit sich die Gegenstände von Prüfung und Rechtsmittel decken (zur Abrechnung siehe Rdn 40 ff.).
c) Prüfungsauftrag mit bedingtem Rechtsmittelauftrag
Rz. 23
Nicht anders verhält es sich, wenn dem Anwalt mit dem Auftrag, die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels zu prüfen, bereits der bedingte Auftrag zur Einlegung des Rechtsmittels erteilt wird, wenn also der Anwalt für den Fall, dass er im Rahmen seiner Prüfung zu einer Erfolgsaussicht gelangt, das Rechtsmittel auch einlegen soll. Der Anwalt erhält dann für die Prüfung wiederum die Gebühr der VV 2100. Kommt er zu dem Ergebnis, dass Erfolgsaussicht besteht, so wird damit gemäß § 158 BGB der Auftrag für das Rechtsmittelverfahren wirksam, sodass damit die Verfahrensgebühr des Rechtsmittelverfahrens ausgelöst wird. Soweit der Anwalt die Erfolgsaussicht insgesamt bejaht, entsteht die Verfahrensgebühr aus dem vollen Wert. Soweit der Anwalt die Erfolgsaussicht nur teilweise bejaht, entsteht die Verfahrensgebühr nur aus diesem Teilbetrag. Die Prüfungsgebühr ist dann wiederum auf die Verfahrensgebühr anzurechnen, soweit sich die Gegenstände von Prüfung und Rechtsmittel decken (zur Abrechnung siehe Rdn 40 ff.).
Rz. 24
Das LG Köln geht davon aus, dass ein Mandant, der vor Besprechung der Berufungsaussichten bereits den Auftrag für eine Berufungseinlegung erteilt, erwartet, dass er vor Durchführung der Berufung noch eine entsprechende – auch kostenpflichtige – Beratung zum Umfang der Verfolgung der Berufung erhält. Insoweit soll in der Regel ein konkludenter umfassender Beratungsauftrag vorliegen, der gleichzeitig mit dem bedingten Auftrag zur Berufungseinlegung im Rahmen der Erfolgsaussicht erteilt wird.
d) Uneingeschränkter Rechtsmittelauftrag – Anwalt rät ganz oder teilweise ab
Rz. 25
Hat der Anwalt bereits einen unbedingten Prozess- oder Verfahrensauftrag für das Rechtsmittelverfahren erhalten und rät er anschließend von der Einlegung oder Durchführung des Rechtsmittels ganz oder teilweise ab, so entsteht nur die Verfahrensgebühr des jeweiligen Rechtsmittelverfahrens, da diese Gebühr bereits mit der Entgegennahme der Information anfällt (z.B. VV Vorb. 3 Abs. 2) und sie gleichzeitig auch die Beratungstätigkeit des Anwalts über die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels abdeckt (§ 19 Abs. 1 S. 1). Für die Anwendung der VV 2100 ist daneben kein Raum, da es an einem gesonderten Auftrag fehlt. Insoweit kann die Anm. Abs. 1 zu VV 2100 a.F. entsprechend herangezogen werden. Die Prüfung der Erfolgsaussicht darf nicht mit einer "anderen gebührenpflichtigen Tätigkeit" zusammenhängen.
Rz. 26
A.A. war das OLG Köln, das ohne Begründung den früheren § 20 Abs. 2 BRAGO, also jetzt VV 2100, auch dann anwenden wollte, wenn zunächst ein Rechtsmittel uneingeschränkt eingelegt, dann aber nach Beratung im beschränkten Umfang begründet und durchgeführt worden ist. Diese Auffassung ist mit dem Gesetz jedoch nicht zu vereinbaren. Die Vorschrift der VV 2100 ist nur dann anzuwenden, wenn nicht sogleich Rechtsmittelauftrag erteilt worden ist, sondern der Auftraggeber zunächst nur eine Beratung über die Erfolgsaussicht des beabsichtigten Rechtsmittels erteilt.
Rz. 27
Die vorzeitige Beendigung des Rechtsmittelauftrags kann in diesem Fall allerdings zur Folge haben, dass sich die Verfahrensgebühr ganz oder teilweise ermäßigt.
aa) Anwalt rät insgesamt ab – Rechtsmittel wird nicht eingelegt
Rz. 28
Erhält der Anwalt von vornherein den uneingeschränkten Rechtsmittelauftrag, rät danach vom Rechtsmittel ab und wird dieses auch nicht mehr eingelegt, dann entsteht nur die jeweilige Verfahrensgebühr, die sich gegebenenfalls wegen vorzeitiger Erledigung ermäßigt, sofern dies vorgesehen ist.
Beispiel: Der Mandant ist zur Zahlung von 20.000 EUR verurteilt worden. Der Anwalt soll prüfen, ob eine Berufung Aussicht auf Erfolg hat. Er verneint dies. Daher wird die Berufung nicht eingelegt.
Der Anwalt erhält nur die Prüfungsgebühr aus 20.000,00 EUR.
bb) Anwalt rät teilweise ab – Rechtsmittel wird sodann eingelegt und mit eingeschränktem Antrag durchgeführt
Rz. 29
Erhält der Anwalt von vornherein den uneingeschränkten Rechtsmittelauftrag und rät er danach vom Rechtsmittel teilweise ab und wird dieses dann auch nur beschränkt durchgeführt, dann ist wiederum die Verfahrensgebühr des jeweiligen Rechtsmittelverfahrens entstanden. Sofern im VV vorgese...