Rz. 4

Der Gebührensatz der Geschäftsgebühr reduziert sich bei Aufträgen zu Schreiben einfacher Art auf 0,3. Die Anm. zu VV 2301 definiert Schreiben einfacher Art als solche, die weder schwierige rechtliche Ausführungen noch größere sachliche Auseinandersetzungen enthalten. Maßgeblich ist, ob das Schreiben im Vergleich zu den im Allgemeinen in einer durchschnittlichen Kanzlei anfallenden Schreiben nur einfacher Art ist, wie beispielsweise bei einer in Form eines Zweizeilers ausgesprochenen ordentlichen Kündigung[3] eines Mietverhältnisses, bei der Mahnung hinsichtlich einer Forderung, die keiner eingehenden Begründung bedarf,[4] beim Widerruf,[5] bei einer Handelsregister- oder einer Einwohnermeldeamtsanfrage.[6]

 

Rz. 5

Der Umfang eines Schreibens kann ein Indiz für die Anwendung von VV 2301 bilden,[7] er ist aber kein allein entscheidendes Merkmal. Denn häufig kann sich eine vorangegangene gründliche Prüfung der Rechtslage in einem kurzen Schreiben äußern. Beispielsweise ist ein Schreiben, mit dem ein geltend gemachter Anspruch in wenigen Zeilen zurückgewiesen wird, kein einfaches Schreiben, wenn zuvor die Forderung in rechtlicher Hinsicht geprüft wurde und der Rechtsanwalt einen entsprechenden Auftrag hatte. Auch die Verwendung eines Formulars spricht nicht notwendigerweise für das Vorliegen eines einfachen Schreibens. Zum einen erfordert die Erstellung eines derartigen Formulars häufig große Mühe, zum anderen kann die Prüfung, ob und inwieweit es im jeweiligen Fall anwendbar ist, rechtlich schwierige Fragen aufwerfen.[8]

 

Rz. 6

Unter der Geltung der BRAGO nannte das Gesetz in § 120 Abs. 1 als Beispiele für einfache Schreiben die Kündigung und die Mahnung. Dennoch war auch nach früherer Rechtslage nicht davon auszugehen, dass schlechthin jede Kündigung oder Mahnung als einfaches Schreiben anzusehen war. Denn auch Kündigungsschreiben oder Mahnungen konnten mit größeren rechtlichen Schwierigkeiten verbunden sein, beispielsweise wenn die Höhe der angemahnten Forderung noch eingehend begründet werden musste.[9] Jedenfalls folgt aber aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber die Kündigung und die Mahnung nicht mehr als Beispiele für Schreiben einfacher Art erwähnt, dass diese nicht per se VV 2301 unterfallen. Hierfür spricht auch keine Vermutung;[10] es kommt vielmehr nach allgemeinen Kriterien darauf an, ob auftragsgemäß eine fundierte rechtliche Prüfung vorzunehmen war.

 

Rz. 7

Die Gebühr entsteht bereits durch ein Schreiben.[11] Für die Rechtslage nach der BRAGO war andererseits anerkannt, dass die Gebühr auch dann nur einmal entsteht, wenn mehrere Schreiben einfacher Art gefertigt werden.[12] Soweit dies mit der Verwendung der Mehrzahl in § 120 Abs. 1 BRAGO begründet wurde,[13] gilt dieses Argument für die neue RVG-Fassung nicht mehr. Denn dort ist von "einem" Schreiben einfacher Art die Rede, wobei zugegebenermaßen weder aus dem Wortlaut noch aus der Gesetzesbegründung eindeutig erkennbar ist, ob diese Formulierung in quantitativer Hinsicht verwendet werden sollte. Auch hier kommt es folglich allein auf den Auftrag an. Beauftragt der Mandant den Rechtsanwalt beispielsweise mit der Fertigung eines Mahnschreibens, ist mit diesem Schreiben der Auftrag abgeschlossen. Ein weiteres Schreiben erfolgt dann im Rahmen eines neuen Auftrags und löst erneut Gebühren aus.[14] Da nur die wenigsten Mandanten sich über derartige Fragen Gedanken machen, sollte dies im Erstgespräch geklärt werden. Ansonsten ist, wenn der Anwalt im Rahmen seines Auftrags mehrere Schreiben fertigt, der Anwendungsbereich der VV 2300 eröffnet.[15]

[3] LG Hildesheim AnwBl 1985, 54.
[4] Vgl. AG Borna AGS 2008, 623.
[5] AG München MDR 2005, 969.
[6] Riedel/Sußbauer/Schneider, RVG, VV 2301 Rn 3; Mock, AGS 2003, 528, 530. Die Einwohnermeldeamtsanfrage ist in der Praxis vielfach mit einem Verfahrensauftrag verbunden und wird dann durch die Verfahrensgebühr abgegolten (vgl. BGH 25.11.2003 – VIII ZB 69/03, BB 2004, 352).
[7] Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, VV 2301 Rn 4; Hansens, RVGreport 2004, 62.
[8] OLG Hamburg Magazindienst 2009, 762; LG Berlin JurBüro 1981, 1528; LG Hannover AnwBl 1989, 687.
[9] Gerold/Schmidt/Madert, BRAGO, § 120 Rn 3; vgl. auch N. Schneider, MDR 2000, 685; Monschau, AGS 2003, 194; jetzt auch für die Neuregelung: Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, VV 2301 Rn 3; Riedel/Sußbauer/Schneider, RVG, VV 2301 Rn 3.
[10] N. Schneider, AGS 2003, 525.
[11] Göttlich/Mümmler/Feller, RVG, Einfaches Schreiben 3).
[12] Hansens, BRAGO, § 120 Rn 2; Hartmann, § 120 BRAGO Rn 7; Mümmler, JurBüro 1988, 1126, 1131.
[13] Hartmann, § 120 BRAGO Rn 7.
[14] Hansens, RVGreport 2004, 62; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, VV 2301 Rn 6 unter Aufgabe der bisher anders vertretenen Auffassung.
[15] Schneider/Mock, Das neue Gebührenrecht für Anwälte, § 13 Rn 14 f.; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, VV 2301 Rn 6.

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