I. Reduzierte Verfahrensgebühr wegen fehlender Erstattungsfähigkeit einer vollen Verfahrensgebühr
Rz. 141
Es ist durchaus möglich, dass die volle 1,3-Verfahrensgebühr nach VV 3100 zwar entstanden, aber nicht erstattungsfähig ist, weil keine notwendige Maßnahme der Rechtsverfolgung mehr gegeben ist, z.B. bei verspäteter Einreichung eines Klageabweisungsantrags nach der mündlichen Verhandlung, wenn der Termin zur Verkündung einer Entscheidung schon beschlossen wurde. In einer derartigen Situation ist die volle Verfahrensgebühr zwar angefallen und kann dem Mandanten grundsätzlich auch in Rechnung gestellt werden, erstattungsfähig gegenüber der Gegenseite ist jedoch nur eine reduzierte Verfahrensgebühr i.H.v. 0,8. Denn der Klagabweisungsantrag ist bei dieser Fallgestaltung nur dann notwendig i.S.d. § 91 ZPO, wenn er unter der Bedingung gestellt wird, dass das Gericht die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung anordnet. Erst wenn diese Bedingung eingetreten ist, kann die volle Verfahrensgebühr erstattet verlangt werden.
Rz. 142
Von dem Mandanten wird die volle 1,3-Verfahrensgebühr nur dann verlangt werden können, wenn der Prozessbevollmächtigte ihn über die fehlende Erstattungsfähigkeit durch den Gegner unterrichtet und der Mandant gleichwohl auf der Einreichung des Schriftsatzes bestanden hat.
II. Antragstellung nach – angekündigter – Klagerücknahme
Rz. 143
Wird der Prozessbevollmächtigte auf Beklagtenseite erst nach Zustellung der Klagerücknahme eingeschaltet, ist ebenfalls keine notwendige Maßnahme zur Rechtsverteidigung gegeben, da die Einschaltung des Prozessbevollmächtigten nicht mehr erforderlich war. Dies hat in der Regel die Konsequenz, dass eine reduzierte Verfahrensgebühr i.H.v. 0,8 für den Rechtsanwalt des Beklagten zwar entstanden, diese aber nicht erstattungsfähig ist.
Rz. 144
War der Klagerücknahmeschriftsatz bei Antragseinreichung noch nicht zugestellt, ist für den Prozessbevollmächtigten des Beklagten eine volle Verfahrensgebühr angefallen und auch erstattungsfähig. Auch in dem Fall, dass die Klagerücknahme lediglich angekündigt worden ist, ohne bereits vollzogen worden zu sein, wird man von dem Entstehen einer vollen 1,3-Verfahrensgebühr ausgehen müssen. Diese ist auch erstattungsfähig, solange die andere Partei keinen Rechtsanspruch auf die Klagerücknahme hat.
Rz. 145
Im Berufungs- oder Revisionsverfahren handelt es sich auch dann nicht um eine notwendige Maßnahme zur Rechtsverteidigung, wenn die Gegenseite die Rücknahme der Revision dem Berufungsanwalt schon mitgeteilt hat oder er davon außergerichtlich Kenntnis erlangt hat. Der gleichwohl eingereichte Antrag auf Zurückweisung der Revision kann deshalb nicht mehr zu einer erstattungsfähigen vollen Verfahrensgebühr führen.
III. Mehrvergleich
Rz. 146
Sofern von den Parteien ein Mehrvergleich über nicht rechtshängige Ansprüche protokolliert wird, gehört nach ganz h.M. die Verfahrensdifferenzgebühr zu den Kosten des Vergleichs und nicht zu den Kosten des Rechtsstreits im Übrigen. Wenn also im Vergleich vereinbart wird, dass die Kosten des Vergleichs gegeneinander aufgehoben werden, hat diese Vereinbarung zur Konsequenz, dass die Verfahrensdifferenzgebühr nicht in die sonst vereinbarte Kostenquotelung einbezogen ist. Begründet wird diese Auffassung mit der Überlegung, dass die mitverglichenen Ansprüche nicht zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht worden sind, sondern von vornherein nur Gegenstand der Vergleichsgespräche und des Vergleichsabschlusses waren, so dass die damit entstandenen Kosten zu den Kosten des Vergleichs gehören. Möchten die Parteien eine andere Kostenfolge erreichen, sollte dies im Vergleich entsprechend klar formuliert werden.