Rz. 20

Auch im Berufungsverfahren kommt sowohl eine Anrechnung der Verfahrensgebühr in Betracht als auch eine Anrechnung auf die Verfahrensgebühr.

I. Anrechnung einer vorangegangenen Beratung

 

Rz. 21

Ist eine Beratung vorangegangen, so ist diese nach § 34 Abs. 2 anzurechnen, es sei denn, die Parteien haben eine Anrechnung ausgeschlossen.

 

Rz. 22

War der Anwalt zunächst nur beauftragt, die Erfolgsaussicht der Berufung zu prüfen, und wird die Berufung danach durchgeführt, ist die Prüfungsgebühr der VV 2100 ebenfalls anzurechnen (Anm. zu VV 2100).

 

Beispiel: Gegen seine erstinstanzliche Verurteilung von 20.000 EUR will der Beklagte Berufung einlegen und lässt sich beraten, ob die Berufung Aussicht auf Erfolg hat. Der beauftragte Anwalt prüft dies und bejaht die Erfolgsaussicht, sodass ihm hiernach der Auftrag zur Berufung erteilt und diese auch durchgeführt wird.

Abzurechnen ist wie folgt:

I. Prüfung der Erfolgsaussicht

 
1. 0,75-Prüfungsgebühr, VV 2100   616,50 EUR
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 636,50 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   120,94 EUR
Gesamt   757,44 EUR

II. Berufungsverfahren

 
1. 1,6-Verfahrensgebühr, VV 3200   1.315,20 EUR
2. gem. Anm. zu VV 2100 anzurechnen 0,75 aus 20.000 EUR   – 616,50 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr, VV 3202   986,40 EUR
4. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.705,10 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   323,97 EUR
Gesamt   2.029,07 EUR
 

Rz. 23

Zur Anrechnung, wenn der Anwalt nach Prüfung nur teilweise mit der Durchführung der Berufung beauftragt wird, vgl. die Kommentierung zu VV 2100 (siehe VV 2100 Rdn 40 ff.).

II. Anrechnung der Geschäftsgebühr

 

Rz. 24

War der Anwalt zuvor nur außergerichtlich beauftragt, kann die Geschäftsgebühr der VV 2300 nach VV Vorb. 3 Abs. 4 zur Hälfte, höchstens jedoch zu 0,75, anzurechnen sein. Erforderlich ist, dass das Berufungsverfahren für den Anwalt ein unmittelbar nachfolgendes Verfahren der außergerichtlichen Tätigkeit ist.

 

Beispiel: Der Anwalt ist außergerichtlich mit der Abwehr einer Forderung i.H.v. 8.000 EUR beauftragt. Die Tätigkeit ist weder umfangreich noch schwierig. Anschließend kommt es zu einem Rechtsstreit, in dem der Mandant jedoch einen anderen Anwalt beauftragt. Nach erstinstanzlicher Verurteilung wird der bereits außergerichtlich tätige Anwalt mit der Berufung beauftragt.

Vorgerichtlich ist eine Geschäftsgebühr nach VV 2300 angefallen. Diese ist nach VV Vorb. 3 Abs. 4 auch auf die Verfahrensgebühr eines Berufungsverfahrens zur Hälfte anzurechnen.

I. Außergerichtliche Vertretung (Wert: 8.000 EUR)

 
1. 1,3-Geschäftsgebühr, VV 2300   652,60 EUR
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 672,60 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   127,79 EUR
Gesamt   800,39 EUR

II. Berufungsverfahren (Wert: 8.000 EUR)

 
1. 1,6-Verfahrensgebühr, VV 3200   803,20 EUR
2. gem. VV Vorb. 3 Abs. 4 anzurechnen, 0,65 aus 8.000 EUR   – 326,30 EUR
3. 1,2-Terminsgebühr, VV 3202   602,40 EUR
4. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.099,30 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   208,87 EUR
Gesamt   1.308,17 EUR
 

Rz. 25

Nach Auffassung des BGH soll dagegen eine Geschäftsgebühr auch dann im Berufungsverfahren anzurechnen sein, wenn der Anwalt auch schon in der ersten Instanz tätig war.[2] Das ist jedoch unzutreffend. Anzurechnen ist dann nur in erster Instanz.

 

Beispiel: Der Anwalt ist außergerichtlich mit der Abwehr einer Forderung beauftragt. Anschließend kommt es zu einem Rechtsstreit, in dem der Anwalt beauftragt wird. Nach erstinstanzlicher Verurteilung wird die Berufung eingelegt und der Anwalt auch insoweit beauftragt.

Die Geschäftsgebühr ist nur im erstinstanzlichen Verfahren anzurechnen. Sie kann nicht im Berufungsverfahren angerechnet werden.

[2] BGH 20.12.2011 – XI ZB 17/11, AGS 2012, 223 m. abl. Anm. N. Schneider = RVGreport 2012, 118 = NJW-RR 2012, 313.

III. Anrechnung einer Verfahrensgebühr

 

Rz. 26

Wird vom Revisionsgericht die Sache an das bereits befasste Berufungsgericht zurückverwiesen, so ist die Verfahrensgebühr des (Ausgangs-)Berufungsverfahrens aus VV 3200 auf die Verfahrensgebühr für das Verfahren nach Zurückverweisung anzurechnen (VV Vorb. 3 Abs. 6).

 

Beispiel: Gegen seine Verurteilung zur Zahlung von 15.000 EUR legt der Beklagte Berufung ein. Gegen das der Berufung stattgebende Urteil des OLG legt der Kläger Revision ein. Der BGH hebt das Berufungsurteil auf und verweist die Sache an das OLG zurück. Dort wird erneut verhandelt.

Das Verfahren nach Zurückverweisung stellt gemäß § 21 Abs. 1 eine neue Angelegenheit dar. Der Anwalt erhält sämtliche Gebühren erneut. Die Verfahrensgebühr des vorangegangenen Berufungsverfahrens wird allerdings auf die Verfahrensgebühr des Berufungsverfahrens nach Zurückverweisung angerechnet, soweit an das Gericht zurückverwiesen worden ist, das mit der Sache bereits befasst war (VV Vorb. 3 Abs. 6).

I. Berufungsverfahren vor Zurückverweisung

 
1.

1,6-Verfahrensgebühr, VV 3200

(Wert: 15.000 EUR)
  1.148,80 EUR
2.

1,2-Terminsgebühr, VV 3202

(Wert: 15.000 EUR)
  861,60 EUR
3. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 2.030,40 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, VV 70...

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